Das Camp
hätte gern gefragt, wie lange Sascha schon im Bootcamp war. So wie er mit dem Spaten umgehen konnte, musste das schon eine ganze Weile sein.
»Hast du gesehen, wie ich rangeklotzt habe bis eben? Weißt du, warum ich das mach?«
Luk schüttelte den Kopf.
»Weil ich ganz vorn stehen will bei der Essensausgabe. Dann kriegt man nämlich das Dicke von ganz unten. Für die Letzten bleibt nur gefärbtes Wasser mit nichts drin. Ich brauch aber die Kalorien, weißt du. Sonst machen meine Muckis schlapp. Dann kann ich mich nächste Woche wieder ganz hinten anstellen. Und alles bloß, weil du hier das Weichei spielst.«
Luk machte ein Pokerface.
Sascha wandte sich mit gespielter Ratlosigkeit an Oleg. »Der kapiert einfach nicht.«
Also doch, eine miese kleine Erpressung. War ja wohl nicht anders zu erwarten gewesen.
»Na gut«, sagte er und ließ alle Vorsicht fahren. »Was wollt ihr Drecksäcke von mir?«
»Die Hälfte von deinem Mittagsfraß.«
Luk sah auf den Baumstumpf. Die Wurzeln gingen noch tief in den Boden hinein und er war jetzt schon völlig am Ende. Er musste mit seinen Kräften haushalten. Welchen
Sinn machte es, wenn er sich hier schon am ersten Tag völlig verausgabte?
»Okay«, sagte er. »Könnt ihr haben. Aber ich ess zuerst.«
13
Wie kaputt er wirklich war, merkte Luk erst, als er aus der Grube klettern wollte. Seine Füße rutschten ab, und er versuchte, sich an den spärlichen Grasbüscheln festzuhalten, die das rücksichtslose Wüten auf der Lichtung überlebt hatten. Aber seine steifen Finger glitten ab. Sosehr er sich auch anstrengte, er fand keinen Halt an den glitschigen Halmen.
»Nun mach schon, Mann!«, drängte Sascha genervt.
Als Luk beim nächsten Versuch auch wieder kläglich scheiterte, erbarmten sich Oleg und Sascha endlich. Sie packten ihn rechts und links unter den Armen, zerrten ihn aus der Grube und schleiften ihn ein paar Schritte über den Boden, bis er weit genug aus dem Weg war. Dann ließen sie ihn fallen.
Luk blieb einfach liegen. Im letzten Moment hatte er es noch geschafft, seinen Kopf so zu drehen, dass er die beiden im Auge behalten konnte, wie sie in die Grube sprangen und dann loslegten. Es kam ihm vor, als bräuchten sie nur Minuten dafür, das untere Wurzelwerk freizulegen mit ihren Spaten. Oleg griff nach seiner Axt. Er musste mehrfach weit ausholen, bis es ihm endlich gelang, die Wurzelstränge zu durchtrennen.
Plötzlich rüttelte jemand an Luks Schulter. Er musste doch eingeschlafen sein.
»He, fass mal mit an!« Sascha trat ihm jetzt grob in die Seite.
»Der bringt doch sowieso nichts mehr«, sagte Oleg. »Der ist total erledigt.«
»Egal«, beharrte Sascha. »Allein schaffen wir das jedenfalls nicht.« Er trat erneut zu.
Luk stemmte sich hoch. Er wankte auf die Grube zu und wäre wahrscheinlich kopfüber hineingestürzt, wenn Oleg ihn nicht aufgefangen hätte.
»Mannomann!«, sagte Oleg.
Luk mobilisierte seine letzten Kräfte. Er folgte den Anweisungen von Oleg. Gemeinsam schafften sie es schließlich, den zentnerschweren Baumstumpf nach oben zu wuchten.
Oleg und Sascha machten sich sofort daran, den Stumpf zu Kaminholz zu verarbeiten. Luk beachteten sie überhaupt nicht. Irgendwie gelang es ihm, sich allein aus der Grube hinauszuarbeiten. Erschöpft blieb er liegen und schloss die Augen.
Als Mittagessen gab es tatsächlich wieder Suppe. Aber Oleg und Sascha waren so schnell gewesen, dass der große Kübel noch mehr als zur Hälfte gefüllt war, als sie an die Reihe kamen. Gebannt sah Luk zu, wie der Küchenbulle seine Riesenkelle in dem grünen Thermo-Behälter kreisen ließ und sie dann gegen den Strom hielt, um ein paar von den festeren Bestandteilen aufzufangen. Glück gehabt! Diesmal gab es für ihn mehr als nur die dürftige Restplörre.
Luk durfte, wie ausgemacht, als Erster seinen Teil der Suppe löffeln. Oleg und Saschah saßen rechts und links neben ihm auf einem der frisch entasteten Baumstämme und passten auf, dass er nicht mehr als seinen vereinbarten Anteil aß. Fast gleichzeitig legten sie Luk die Hand auf die Schulter. »Das reicht.«
Luk hatte versucht, so viel wie möglich von der Einlage zu erwischen. Aber gesättigt hatte ihn das nicht gerade. Trotzdem
gab ihm die Suppe so viel Kraft, dass er nach der kurzen Mittagspause beim nächsten Baumstumpf wieder mitmachte. Mit langsamen, gleichmäßigen Bewegungen legte er einen Wurzelstrang nach dem anderen frei. Doch dann gaben ganz plötzlich die Beine unter ihm nach. Ihm wurde
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