Das Camp
werden.
Genial, dachte Luk. So hetzen sie jeden gegen jeden auf und brauchen noch nicht mal herumzubrüllen. Ein paar dreckige braune Armbinden reichen schon.
Zugführer Pannewitz ließ den dicken Benjamin und seine Gruppe wieder ins Glied zurücktreten.
»Und Abmarsch!«
Luk war froh, dass sie nicht wieder im Gleichschritt marschieren mussten. Seine Füße waren so ramponiert, dass er nur noch humpeln konnte.
Zum Glück war er immer noch der Letzte des Zuges. Hinter ihm kam keiner mehr. Es bestand also keine Gefahr, dass ihm jemand in die Hacken trat.
Am Ende einer Gruppe sah er Benjamin humpeln. Humpeln war noch geschmeichelt. Er schleppte sich o-beinig, wie auf rohen Eiern vorwärts. Luk kapierte. Er brauchte gar nicht nach den Füßen der anderen zu schauen. Man sah es schon ihrem Gang an, wie lange sie hier im Camp waren.
In jeder Gruppe schien es mindestens einen Neuen zu geben, in manchen auch zwei. Wahrscheinlich wurden sie gleichmäßig auf alle Gruppen verteilt. Aber dass einer keine Schuhe hatte, hieß nicht, dass er gerade erst angekommen war. Wie hatte Pannewitz doch gesagt, manche blieben Monate auf Stufe eins, bis sie endlich aufrückten.
Der Wald wurde immer heller und lichtdurchfluteter. Zunächst waren sie an Kiefern, Tannen und anderen Nadelbäumen vorbeigekommen. Dann waren vereinzelt Laubbäume aufgetaucht, und inzwischen bestand der Wald fast ganz aus gewaltigen Eichen und vielleicht Buchen oder Linden oder sonst irgendwas. Luk hatte keine Ahnung von Bäumen. Er konnte gerade mal Eichen und Birken erkennen, aber eine Birke hatte er noch nirgends bemerkt.
Auf beiden Seiten des Weges gab es jede Menge Büsche und Unterholz. Überall lagen Äste und Zweige herum, die wohl bei den letzten Stürmen abgerissen worden waren.
Seit Ewigkeiten, wenn überhaupt jemals, war dieser Wald
nicht gepflegt worden. Luk war das nur recht. Mal angenommen, er wollte abhauen, hier boten sich massenhaft Möglichkeiten, sich erst mal für eine Weile zu verstecken.
12
Eine Axt! Kein leichtes, kurzes Handbeil, mit dem man vielleicht Brennholz hackt, sondern eine ausgewachsene schwere Axt mit ein Meter langem, dickem Schaft und einer anscheinend frisch geschärften Schneide, die mattsilbern im Morgenlicht glänzte.
Luk hob die Axt mit beiden Händen hoch über den Kopf und ertappte sich bei dem Gedanken: Ein einziger Schlag und du hast jemanden umgebracht. Schnell ließ er die Axt sinken.
Dabei sah er, dass die Axt ganz oben am Schaft die Zahl 33 trug. Jemand hatte sie dort ins Holz gebrannt. Dieselbe Zahl las er auf dem kleinen Schild an der Wand des Blockhauses. Es stand mitten auf der Lichtung. Die Jungs waren, einer nach dem anderen, in den aus rohen Holzstämmen zusammengesetzten Schuppen hineingegangen und waren mit Sägen, Äxten und Spaten wieder herausgekommen.
Der Junge vor Luk hatte sich eine Axt aus der Halterung an der Wand genommen. Draußen hatten die Gruppenführer zur Eile angetrieben.
»Los, los, nicht einschlafen, Leute!«
Luk hatte sich einfach die nächste Axt von der Wand geschnappt. In der Tür stieß er mit Mike zusammen.
»He, das könnte dir so passen, was?« Mike nahm ihm die
Axt ab und hängte sie zurück. Dann griff er nach einem schweren Spaten. »Hier! Damit fängst du an.«
Draußen hatten sich die Züge aufgelöst. In Gruppen standen alle herum, über die ganze Lichtung verteilt.
»Dort rüber«, sagte Mike hinter ihm.
Sie kamen an der Gruppe mit den braunen Armbinden vorbei. Luk sah, dass Benjamin ein wenig abseits stand und sich auf einen Spaten stützte. Luk nickte ihm zu. Aber Benjamin reagierte nicht. Er blickte stur an Luk vorbei.
Luks Gruppe wartete neben einem frisch gefällten Baum, der mit weit ausladenden Ästen auf dem Boden lag. Mike gab einige kurze Anweisungen. Drei Jungen setzten sich daraufhin sofort in Bewegung und steuerten auf eine mächtige Buche oder Linde zu, die ungefähr 50 Meter entfernt am Rand der Lichtung stand. Zwei von ihnen hatten lange Sägen über der Schulter. Die Sägeblätter bogen sich durch. Sie mussten an die zwei Meter lang sein.
Drei weitere Jungen, die mit schweren Äxten und kurzen Handsägen bewaffnet waren, wurden zum Entasten eingeteilt. Luk hatte keine Ahnung, was das heißen sollte.
Außer Luk waren noch zwei andere Kollegen übrig. Der eine hatte einen Spaten in der Hand und der andere eine Axt. Es waren die beiden, die Mike ihm vorgestellt hatte. Oleg und Sascha. Luk hatte Oleg für einen Russlanddeutschen gehalten.
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