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Das Camp

Titel: Das Camp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Tondern
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auf der Straße zu halten. Im Rückspiegel sahen sie, dass die Cops geradeaus weiterfuhren.
    »Abgehängt«, sagte Harley stolz.
    Vor ihnen schaltete eine Ampel auf Rot. Luk war sicher, dass Harley sich davon nicht beeindrucken lassen würde. Doch er stoppte brav.
    »Wollen doch nicht auffallen, oder?«
    Als Grün kam, würgte er den Motor ab. Er versuchte es noch mal. Aber die Maschine sprang nicht an.
    »Lass mich mal«, sagte Luk. Er war nicht gerade unglücklich über Harleys Patzer.

    Harley starrte ihn wütend an. »Du kapierst aber auch gar nichts, was? Die Kiste hat eine GPS-Sicherung. Die haben uns einfach abgeschaltet.« Er stieß seinen eckigen Zeigefinger gen Himmel. »Über irgendeinen Satellit da oben. Und gleich sind sie hier.«
    Tatsächlich hatte es nicht mal eine Minute gedauert, und mit Blaulicht und Sirene rasten zwei Streifenwagen heran, einer von vorn und einer von hinten.
    Für Dr. Enno Schwarz war es später kein Problem gewesen, Luk als verführten Mitläufer hinzustellen. Er habe ja nicht mal am Steuer gesessen.
    Und Harley? Den hatte Luk nicht wiedergesehen.
    Bis heute Nachmittag.

18
    Am nächsten Morgen wachte Luk mit laufender Nase auf. In seinem Kopf war ein großer Bautrupp mit Presslufthammern dabei, sein Gehirn in seine Einzelteile zu zerlegen. Seine Füße fühlten sich eiskalt an, aber als er sie anfasste, merkte er, dass sie fieberheiß waren. Außerdem waren sie taub geworden. Er spürte die Berührung seiner Hände nicht mehr.
    Er kratzte mit dem Fingernagel an der dicken Dreckschicht unter seinem linken Fuß, hörte aber sofort wieder auf damit, als unter dem Schmutz rohes Fleisch zum Vorschein kam.
    Nach allem, was er von seinem Vater gelernt hatte, hätte er längst eine Blutvergiftung haben müssen. Nur die sofortige Einweisung in ein Krankenhaus hätte ihn retten können.

    Und seine Mutter? Luk war nicht sicher, wie sie reagiert hätte. Sie war Lehrerin. Deutschlehrerin. Hatte den Job aber nach Luks Geburt an den Nagel gehängt und arbeitete zu Hause. Sie machte die Buchhaltung für die Praxis. Anscheinend war sie gut darin. Im Laufe der Jahre waren noch etliche andere Praxen dazugekommen. Sogar zwei Apotheken betreute sie. Bei medizinischen Fragen hielt sie sich meist heraus. Aber nicht immer.
    Direkt vor dem zugemauerten Fenster der Arrestzelle trommelte etwas auf ein Wellblechdach oder einen Metallbehälter. Es regnete. Ziemlich heftig sogar.
    Luk hörte, wie die Gruppenführer in ihre Trillerpfeifen bliesen. »Los, los, raustreten!«
    Luk war froh, dass er bei diesem Sauwetter im Trocknen saß. Seinen Füßen tat es gut, dass sie sich endlich mal ein bisschen erholen konnten. Doch da wurden die beiden Riegel an seiner Tür zurückgeschoben und Pannewitz erschien.
    Luk sprang auf und nahm Haltung an.
    Pannewitz konnte sich ein erfreutes Lächeln nicht verkneifen. »Rühren!«, befahl er. Endlich zeigten seine Erziehungsmethoden Wirkung. Aber er war noch misstrauisch.
    Keine Sorge, dachte Luk. Alles im grünen Bereich. Ihm war eingefallen, dass seine Deutschlehrerin, Frau Dr. Röggelein, mal von Spiegelneuronen erzählt hatte. Wenn du selbst positiv an etwas denkst, dann teilt sich das dem anderen mit und er wird ebenfalls positiv eingestimmt. Luk war nicht sicher, ob das wirklich stimmte. Die Röggelein war ziemlich abgedreht, aber in ihrem Unterricht, erinnerte er sich, hatte nie jemand gefehlt.
    Pannewitz entspannte sich. Das Misstrauen schwand aus seinen grünen Augen. Vielleicht war ja doch etwas dran an Frau Dr. Röggeleins Spiegelneuronen.

    Luk war ernsthaft entschlossen, möglichst schnell aufzusteigen, zumindest auf eine Stufe, auf der er nicht mehr zu diesem idiotischen Schweigen verdammt war. Und Schuhe wollte er natürlich auch. Bevor er doch noch an Blutvergiftung krepierte.
    Auf keinen Fall wollte er so enden wie Benjamin. Der konnte kaum noch gehen heute Morgen. Er versuchte, seine Füße dadurch zu schonen, dass er nur mit der Außenkante auftrat. Außerdem müffelte er. Als er an Luk vorbeikam, stieg Luk ein stechender Geruch in die Nase, der gestern noch nicht da gewesen war.
    Angstschweiß.
    Benjamin hatte sich aufgegeben. Er glaubte nicht mehr daran, dass er diese Tortur überstehen würde. Er schleppte seine Fleischmassen so hoffnungslos voran, dass er schon auf den ersten 200 Metern der Stecke zurückblieb. Vorher rammten ihm noch zwei Läufer ungeniert ihren Ellenbogen in die Rippen. Luk hatte nicht besonders auf Benjamin geachtet. Er musste an

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