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Das Camp

Titel: Das Camp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Tondern
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Leute.« Pannewitz sah auf die Uhr. »Zehn Minuten. Dann habt ihr den zerlegt, klar?«
    Olegs rundes Gesicht verfinsterte sich. Er wartete, bis Pannewitz weit genug weg war. Dann warf er Sascha ein Stück Holz ins Kreuz. »Bloß weil du Arsch mich abgelenkt hast.«
    »Hä?« Sascha rieb sich die Stelle am Oberarm, an der er getroffen worden war. »Wann soll das denn gewesen sein?«
    »Heut Morgen, du Stinker. Dauernd musste ich nach dir gucken. Sonst hätt ich früher gebremst, Mann.«
    Luk kapierte erst eine knappe Viertelstunde später, worum es überhaupt ging. Der Zugführer kehrte zurück und kontrollierte die langen Stapel mit Kaminholz, die sie aufgeschichtet hatten. Es war nicht zu erkennen, ob er zufrieden war.
    »Antreten!«, befahl er.
    Luk wartete ab, was die anderen beiden machten. Dann stellte er sich ans Ende der Reihe.
    »Rechts um!«, rief Pannewitz. »Und Abmarsch!«
    Es musste ziemlich albern aussehen, wie sie da einer hinter
dem anderen über die aufgewühlte Lichtung marschierten. Luk war froh, dass Pannewitz ganz vorn neben Oleg ging. So bekam er jedenfalls nicht mit, dass Luk am Ende der Dreierreihe unter irrwitzigen Verrenkungen wie auf rohen Eiern watschelte.
    Der Gruppenführer steuerte genau auf das Gebrüll zu, das sie schon den halben Nachmittag gehört hatten. Als sie näher kamen, sah Luk einen massigen Körper auf dem Boden liegen. Der Typ musste neu im Camp sein. Seine einst sehr weißen Füße waren nackt und von einer dicken schwarzen Dreckschicht bedeckt, durch die an etlichen Stellen dunkelrotes Blut sickerte.
    Benjamin!
    Neben ihm stand breitbeinig, die Hände in die Seiten gestemmt, ein bulliger Typ in einem fast neuen, blitzsauberen Overall. Alles an ihm wirkte eckig. Der Körper, die Schultern, der Kopf. Irgendwie kam er Luk bekannt vor. Er überlegte, wo er ihn schon mal gesehen hatte. Der Kerl hatte einen dichten schwarzen Haarschopf und einen breiten Nacken. Selbst von hinten sah man ihm an, dass er das verkniffene, humorlose Gesicht eines Hooligans hatte, dessen Mannschaft gerade mal wieder eine Packung bekommen hat.
    »Auf!«, brüllte er und wartete gar nicht erst ab, ob Benjamin den Hintern hochkriegte. Mit Wucht trat er ihm in die Seite und dann gleich noch mal, genau auf dieselbe Stelle.
    Benjamin jaulte auf wie ein junger Hund, dem sie den Schwanz in der Tür eingeklemmt haben. Seine Oberarme spannten sich. Sein Hintern zuckte. Er strengte sich wirklich an. Aber seine Arme wurden von einem immer heftigeren Zittern erfasst und er gab schließlich nach und sank auf den Boden zurück.

    Der bullige Typ über ihm ging einen Schritt zurück. Dann trat er wieder zu.
    Benjamin wimmerte kurz, dann war er still. Man hörte nur ein unterdrücktes, hilfloses Schluchzen.
    Der Typ ließ sich davon nicht beeindrucken. Er wollte erneut zutreten, holte schon aus mit dem Bein.
    Pannewitz griff ein. »Das reicht erst mal, Gruppenführer.«
    Der bullige Typ drehte sich um und nahm Haltung an. »Jawohl, Herr Zugführer!«
    Luk starrte ihn an.
    Harley!
    Luk war drauf und dran, ihn anzusprechen. Aber Harley beachtete ihn überhaupt nicht. Sein selbstgefälliger Vorgesetztenblick glitt gleichmütig über Luk hinweg, als nähme er ihn gar nicht wirklich wahr.
    He, dachte Luk, was sollte das denn? Ob der echt glaubte, dass er jetzt was Besseres war? Nur weil er in dieser abgedrehten Nebenwelt mal für ein paar Wochen den Chef mimen durfte?
    Aber Harley hatte noch nie viel Fantasie gehabt. Der dachte nicht an morgen oder übermorgen. Der konnte sich gar nicht vorstellen, dass diese Lager-Show irgendwann auch mal vorbei war. Wollte er wahrscheinlich auch gar nicht. Er genoss einfach, dass er hier mal wieder am längeren Hebel saß. So wie in der Zeit in der Gang.
    Auch damals hatte Luk nie ein wirklich entspanntes Verhältnis zu Harley gehabt. Aber das wurde ihm erst jetzt richtig bewusst. Er hatte nie darüber nachgedacht. Warum auch? Harley war der Chief gewesen. Luk hatte das nie infrage gestellt.
    Aber irgendwas war da immer zwischen ihnen gewesen. Keine Wand oder so was. Nach außen hin war alles absolut
okay zwischen ihnen. Trotzdem war da was. Luk konnte sich nur an eine einzige Szene erinnern, in der er das überhaupt registriert hatte. Nein, auch das war schon übertrieben. In Wirklichkeit hatte er damals gar nichts gemerkt. Aber es hatte sich offenbar in sein Unterbewusstsein eingegraben, und jetzt, unter Harleys selbstgefälligem Vorgesetztenblick, kam es ganz plötzlich wieder

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