Das Camp
können mit Harley. Der hatte immer nur eins im Kopf gehabt: Motorräder. Er hatte über die neuesten Maschinen geredet, hatte dauernd DVDs von irgendwelchen Enduro-Rennen dabeigehabt, hatte Fotos in Motorrad-Zeitschriften gezeigt. Wo er die wohl her hat, fragte Luk sich manchmal. Bis er dann mal in einem ganz normalen Bahnhofsladen vor dem Regal mit den Spezialmagazinen stand. Gleich zwei Reihen waren für Biker-Blätter reserviert.
Harley war verrückt nach Motorrädern. Er konnte sie kurzschließen und auf ihnen losbrettern. Nicht mal 30 Sekunden brauchte er dafür. BMW, Yamaha, Suzuki - er kannte jede Marke, jedes Modell, jede Macke.
Am allerbesten kannte er sich aber mit der Marke aus, der er seinen Spitznamen verdankte. Harley Davidson . Er konnte einem die Daten sämtlicher Maschinen runterrasseln, die jemals gebaut worden waren. Mindestens hundertmal hatte Luk von ihm gehört, dass er sogar an dem Laden beteiligt war. Er hatte sich bei einem Internet-Broker ein paar Harley-Davidson -Aktien gekauft. Er hatte versucht, sich die Papiere aushändigen zu lassen. Er wollte sie in seinem Zimmer an die Wand hängen. »Gibt’s nicht mehr«, hatte er Luk total niedergeschmettert erzählt. »Alles digital heutzutage. Meine Harley -Aktien sind irgendwo in New York auf einer Festplatte hinterlegt. In was für Scheißzeiten leben wir eigentlich?«
Luk konnte nicht viel anfangen mit Motorrädern. Aber er wollte in die heißeste Gang der Gegend und bei der war Harley nun mal der Boss. Klar, dass Luk begeistert mitgefahren war, als Harley mal von einem Biker-Treffen geschwärmt hatte.
Die Begeisterung war nicht ganz echt gewesen. Luk hatte sich einfach nur gefreut, dass der Boss ihn endlich mal wahrgenommen hatte. Harley hatte ihm eine Enduro besorgt.
»Zwei Runden«, sagte er. »Und du kommst nie wieder davon los.«
Luk kannte sich nicht aus mit Enduros. Und mit der Bahn in der stillgelegten Kiesgrube auch nicht. Mit viel zu wenig Gas war er über den Kurs geschliddert und hatte dann richtig aufgedreht. Unbeschreiblich, dieses Gefühl, als er zehn oder zwanzig Meter durch die Luft flog.
»Und?«, fragte Harley, als Luk mit strahlendem Blick von der Maschine stieg.
»Echt geil«, hatte Luk zugegeben. »Aber vier Räder sind auch nicht schlecht.«
Zwei Wochen später stiegen sie in der Nacht vor Ostern durch den Lüftungsschacht in den Showroom des Porsche -Centers ein. Es war Luks Idee gewesen. Sein Vater hatte ihn zur Präsentation der neuen Modelle mitgenommen. Aber Luk hatte sich nur für eines interessiert. Diskret hatte er herausgefunden, wo die Schlüssel für die Wagen aufbewahrt wurden.
Da es seine Idee gewesen war, hatte Harley ihn ans Steuer des neuen Cayenne gelassen. Luk hatte immer noch das satte Röhren des Motors im Ohr, das noch verstärkt wurde dadurch, dass sie sich in einer geschlossenen Halle befanden.
Doch dann hatte er zu wenig Gas gegeben oder den falschen Gang genommen oder sonst irgendwas. Jedenfalls würgte er den Motor ab. Und dann gleich noch mal.
»Lass mich mal ran«, sagte Harley.
Luk war ausgestiegen und fluchend um den Wagen herumgegangen. Harley rutschte einfach nur vom Beifahrersitz hinter das Steuer. Noch während Luk einstieg, trat er ein paar Mal spielerisch das Gaspedal durch. Ein ohrenbetäubendes Dröhnen erfüllte die Verkaufshalle bis in den letzten Winkel.
Luk schlug die Tür zu.
»Halt dich fest!«, rief Harley.
Er legte den Gang ein und rammte seinen Fuß auf das Gaspedal. Die Reifen des Wagens drehten für den Bruchteil einer Sekunde auf den polierten Granitplatten durch, dann hatte sich der Fahrassistent zugeschaltet und sorgte dafür, dass jedes der vier Räder genau den richtigen Antrieb bekam.
Luk wurde in den mit duftendem schwarzen Leder bezogenen Beifahrersitz gepresst, als der Porsche nach vorn schoss, mitten durch die zersplitternde Scheibe des Verkaufsraums. Es rumpelte zweimal heftig, als die Räder über den Fensterrahmen hüpften. Dann waren sie auch schon auf dem Parkplatz und gleich danach auf der Straße.
Das Autohaus hatte eine Alarmanlage und die war direkt mit der nächsten Polizeistation verbunden. Jedenfalls dauerte es nicht lange, bis Luk im Rückspiegel die ersten zuckenden Blaulichter entdeckte.
»Scheiße«, sagte Harley. Er schaltete das Licht aus, gab Vollgas und schleuderte, ohne das Bremspedal anzurühren, mit ausbrechendem Heck in die nächste Seitenstraße. Er streifte einen parkenden Lieferwagen, schaffte es aber, den Porsche
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