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Das Camp

Titel: Das Camp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Tondern
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zurück und schielte auf Luks Bildschirm. Der Typ hatte schwarzes, sehr dichtes Haar, massige, breite Schultern und einen ungemein schläfrigen Gesichtsausdruck, der wohl sagen sollte, lasst mich bloß in Ruhe, ihr Penner.
    Luk legte seine Hand auf die Maus und ließ den kleinen Pfeil auf dem Schirm scheinbar unschlüssig kreisen. Dann steuerte er ihn zielstrebig auf Antwort A und klickte Ich schlage grundsätzlich als Erster zu an.
    Er wartete, bis der schläfrige Typ neben ihm sich wieder seinem eigenen PC zuwandte.
    Dann löschte er das Häkchen neben Antwort A und wechselte auf Antwort C: Indem ich den anderen respektiere .
    Wenn es hier darum ging, Punkte zu machen, dann war der kleine Schlenker ja wohl erlaubt. Außerdem durfte man doch noch mal nachdenken, oder?
    An diesem Abend lag Luk seit seiner Ankunft im Bootcamp das erste Mal in einem Bett.
    Wohlig streckte er sich aus und zog sich die Decke bis unter das Kinn.
    Na, also, dachte er.
    Schuhe, ich komme.

19
    In der Nacht wachte Luk plötzlich auf. Irgendwas war mit seinem Bett. Ein leichtes Schütteln ging durch das Metallgestell, ganz winzig nur. Dann war es auch schon vorbei.
    Luk lag still da und lauschte in die Dunkelheit. Drüben auf der anderen Seite des Raums schnarchte jemand, gleichmäßig und ungeniert. Ein anderer nahm das Schnarchen auf und passte sich der Tonlage an. Irgendwo sprach einer im Schlaf. »Nein, nicht!«, sagte eine verängstigte Stimme.
    Luk war gespannt, was noch kommen würde. Aber es kam nichts.
    Plötzlich ging wieder dieses winzige Schütteln durch sein Bettgestell. Und diesmal hörte er auch das unterdrückte Schluchzen, das dazu gehörte. Der Junge über ihm hatte sich tief unter seine Decke verkrochen und weinte.
    Luk überlegte, wer das sein konnte. Aber er war am Abend so erschöpft und erledigt gewesen, dass er nicht viel mitbekommen hatte, als Mike ihm die anderen vorstellte. Er hatte keine Ahnung, wer in dem Bett über ihm schlief.
    Er konnte sich nicht mal genau erinnern, wie der Gruppenraum überhaupt aussah. Einen großen Tisch hatte er gesehen, mit zehn schweren, zerkratzten Holzstühlen drum herum. An den Wänden standen doppelstöckige Metallbetten mit blau-weiß karierter Bettwäsche. Knastwäsche. Das wusste er aus den Krimis im Fernsehen.
    Aber die Schränke? Er dachte lange nach. Nicht zu fassen, er hatte tatsächlich keinen Schimmer, wie die Schränke im Gruppenraum aussahen. Gab es überhaupt welche?
    Auf jeden Fall würde er sich aus diesem Bett nicht mehr
vertreiben lassen, schwor er sich, während er schon spürte, wie er langsam wieder in den Schlaf hinüberglitt. Was auch immer er dafür tun musste, er würde es tun.
    Ein schrilles Pfeifen ließ ihn hochfahren. Es kam ihm vor, als wäre er gerade eben erst eingeschlafen.
    »Aufstehen! Los! Los!«
    Luk rollte sich widerwillig von der Matratze und stieß mit dem Jungen zusammen, der aus dem Bett über ihm sprang.
    »He, nimm dich in Acht vor dem«, sagte jemand hinter ihm. »Das ist Blizz, der ist gefährlich.«
    Als Luk sich umdrehte, sah er den Jungen, der gestern bei der Schulung neben ihm gesessen hatte. Auch jetzt hatte er wieder diesen schläfrigen Ausdruck im Gesicht. Gleichzeitig schaffte er es zu grinsen. Er steckte Luk die Hand hin. »Ramon. Ich bin Zigeuner.«
    Luk sah ihn befremdet an.
    »Schon klar«, sagte Ramon. »Alle wollen, dass man uns Sinti nennt. Aber ich bleib trotzdem Zigeuner.«
    Er deutete auf Blizz, der Luk keines Blickes gewürdigt hatte. Wortlos nahm er sein Handtuch vom Bettpfosten und steuerte auf den Ausgang zu.
    »Ein Killer.«
    Sieht aber nicht so aus, dachte Luk. Blizz war eher schmal und klein. Auch wenn er sich als arroganter Schläger gab, auf Luk wirkte er wie eine halbe Portion.
    »Lass dich nicht täuschen«, sagte Ramon. »Und blitzschnell ist er auch.«
    Und nachts heult er sich in den Schlaf, dachte Luk. Aber das musste nichts heißen.
    »Typen wie dich mag er nicht«, sagte Ramon. Er sah sich um. »Mögen die meisten hier nicht.«
    Luk überlegte, ob er es riskieren konnte, etwas zu sagen.
Aber er musste vorsichtig sein. Er wollte auch die nächste Nacht in seinem Bett schlafen.
    »Gymmies«, sagte Ramon. Er grinste schläfrig. »Haben schlechte Karten hier. Bei mir nicht. Bei wem soll ich sonst abgucken?«
    Mike kam, das Handtuch um den Hals, vom Waschen zurück. »Was ist, Luk? Du müffelst schon.«
    Später beim Waldlauf merkte Luk, wie gut ihm der Schlaf getan hatte. Die Kopfschmerzen waren nach den

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