Das Camp
von der Stelle.
Luk hatte keine Ahnung, was das sollte. Benni war aus der Klärgrube gerettet. Jetzt hatten sie alle Zeit der Welt, um erst mal wieder zu Kräften zu kommen.
Aber Benni wurde immer unruhiger. Er schaffte es, sich hochzustemmen und ein paar Meter Richtung Wald zu kriechen.
»Weg!«, keuchte er.
Erst als Luk ihn wieder am Kragen des Overalls packte und ihn mit letzter Kraft zu den Bäumen hinüberschleifte, entspannte Benjamin sich langsam.
Trotzdem wollte er weiter. Auf allen vieren kroch er tiefer in den Wald hinein. Irgendwann schaffte er es, sich an einem Baum hochzuziehen. Schwankend stand er auf den Beinen.
»Wenn ich mich auf dich stützen kann, kommen wir schneller voran.«
Luk legte sich Bennis Arm um den Nacken. Er hatte es längst aufgegeben gegenzuhalten. Vielleicht war Benni nur äußerlich ruhig. Vielleicht stand er unter Schock und musste so schnell wie möglich weg vom Camp und von der Klärgrube.
Plötzlich blieb Benni stehen. Vom Lager drangen Stimmen herüber. Vereinzelt schimmerte das Licht von Taschenlampen zwischen den Baumstämmen hindurch.
»Die wollen dir das in die Schuhe schieben«, sagte Benni leise. »Wir müssen hier weg.«
»Und wie?«, fragte Luk.
Benni konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Er ließ sich an dem Baumstamm hinunterrutschen, an dem er lehnte. »Einfach abhauen«, sagte er.
»Gute Idee. Du schaffst doch keine 100 Meter mehr. In deinem Zustand!«
»Dann eben du allein«, sagte Benni. »Ich komm schon irgendwie durch.«
»Klar«, sagte Luk. »Hat man ja gesehen.«
37
Als die Sonne aufging, hatten sie schon eine gute Strecke hinter sich gebracht. Luk ließ Benni sich in einer Mulde ausruhen. Als Tarnung legte er einige Zweige über ihn.
Dann lief er zur Lichtung und suchte sich auf der Baustelle eine der besseren Schubkarren aus. Als er damit zu der Mulde zurückkam, schlief Benjamin so fest, dass Luk ihn eine ganze Weile rütteln musste.
»Was ist?«
»Du kannst gleich weiterpennen«, sagte Luk. »Ich hab Schlafwagen für dich gebucht.«
Zweimal kippte die Karre um, als Luk Benni hineinhalf. Benjamin war so total weggetreten, dass er gar nicht richtig mitzubekommen schien, was mit ihm passierte. Und als er schließlich in der Schubkarre lag, die Beine voran, den Kopf auf ein paar Tannenzweigen, schlief er sofort wieder ein.
Luk schob die Karre auf den Waldweg, der zur Großbaustelle führte. Von der Lichtung aus nahm er den Schotterweg, auf dem die Lastwagen das Baumaterial heranschafften.
Nach wenigen Hundert Metern mündete der Weg auf eine Asphaltstraße, offenbar genau die Straße, auf der damals die beiden Transporteure Luk ins Camp gebracht hatten.
Luk bog nach rechts ab. Von dort waren sie, soweit er sich erinnerte, in jener Nacht mit dem VW-Bus gekommen. Auf dem Asphalt rollte die Karre leichter. Aber Luk merkte, dass er unsicher war hier draußen. Er war angespannt. Dauernd drehte er den Kopf und vergewisserte sich, dass sich von hinten kein Auto näherte. Der Nacken tat ihm davon schon weh.
Einmal, als er das Geräusch eines Motors zu hören glaubte,
schob er die Karre überstürzt zwischen die Bäume. Gebannt lauschte er, aber es kam gar kein Wagen. Wahrscheinlich war er einfach nur übermüdet und hatte Halluzinationen. Irgendwo hatte er mal gelesen, dass das Gehirn einem Streiche spielen kann, wenn man allzu erschöpft ist. Man sieht oder hört Sachen, die gar nicht da sind.
Zum Glück bekam Benni von all dem nichts mit. Er stöhnte nur mal kurz im Schlaf auf, als sich sein herunterhängendes Bein zwischen den Zweigen eines Busches verfing. Aber er wurde nicht wach.
Minuten später war es wieder so weit. Motorengeräusch.
Nicht noch mal, dachte Luk. Aber dann drehte er doch den Kopf und sah in der Ferne den Scheinwerferkegel eines Autos um die Kurve kommen.
Diesmal ging es nicht ganz so glimpflich ab für Benni. Das Rad der Karre blieb in einer Kuhle stecken. Benjamin rutschte aus der Schubkarre und schlug mit dem Kopf gegen einen Baumstumpf. Dann warf Luk sich auch schon über ihn.
»Ruhig!«, flüsterte er. »Nicht bewegen.«
»Was …?« Benni war verwirrt. Er kam direkt aus dem Tiefschlaf. »Was ist los?«
Inzwischen war das Auto heran. Der Fahrer gab gleichmäßig Gas. Er schien nichts bemerkt zu haben.
»Ach so«, murmelte Benni verschlafen.
Luk wartete noch ein paar Minuten. Er war drauf und dran, sich neben Benjamin ins Moos zu legen. Aber wenn er einschlief, würde er so schnell nicht wieder wach
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