Das Camp
nichts mehr gegen mich, glaub ich. Weißt du, was er gestern zu mir gesagt hat?«
»Keine Ahnung.«
»Ich soll die Schubkarre nicht immer so voll machen, hat er gesagt. Dann krieg ich sie besser die Rampe hoch. Aber ich soll aufpassen, dass das nicht auffällt.«
»Und?«, fragte Luk. »Funktioniert’s?«
»Klar. Er hat mich sogar auf ein Bier eingeladen.«
»Wo will er das denn herbekommen?«
»Doch nicht hier, Mann! Später irgendwann. Wenn wir beide wieder draußen sind. Wir treffen uns dann irgendwo.«
Fehlte bloß noch, dass Benni vorschlug, Luk könne ja auch mitmachen bei der Verabredung. Luk gab Benni einen aufmunternden Klaps auf die Schulter. Dann lief er weiter.
»Kannst ja auch mitkommen«, rief Benjamin ihm nach. »Ich ruf dich an, wenn es so weit ist.«
Luk lief einfach weiter, als hätte er nichts gehört. Wozu sollte er Benni jetzt groß beunruhigen? Konnte doch sein, dass Harley tatsächlich einen Draht zu Benjamin gefunden hatte. Menschen ändern sich.
Ein paar Stunden später sah er, wie Harley Benni mit einer gigantisch überladenen Schubkarre stoppte.
»Wer war das?«, brüllte er. »Welcher Blödmann hat diese Karre so voll geschaufelt?«
Alexander meldete sich. »Wir sollen doch ranklotzen. Hast du selbst gesagt vorhin.«
»Aber doch nicht so. Das schafft doch keine Sau. Mit dieser Megaladung die Rampe rauf.«
Zur Strafe musste Alexander die Schubkarre selbst nach oben schieben. Er nahm einen gewaltigen Anlauf, wurde aber bald langsamer. Auf halber Strecke blieb er hängen. Vorsichtig ging er Schritt für Schritt wieder zurück, angestrengt bemüht, die Schubkarre gerade zu halten.
Harley wartete, bis Alexander am Fuß der Rampe wieder angekommen war.
»Sag ich doch.« Wie beiläufig trat er die Karre um.
Alexander ließ sich sofort auf die Knie fallen. Eilfertig schippte er die Erde in die Schubkarre zurück, achtete aber darauf, dass er sie nicht zu voll machte. Harley bekam davon allerdings nichts mit. Er war längst weitergegangen.
Benni warf Luk einen triumphierenden Blick zu. Er hatte recht gehabt. Harley schien wirklich auf seiner Seite zu sein.
Trotzdem wurde Luk das Gefühl nicht los, dass das alles nur ein Fake war. Dass Harley eine Riesenshow abzog, um Benjamin in Sicherheit zu wiegen.
Zwei Tage später wurde Benni erneut hochgestuft. Er war jetzt Stufe vier. Keiner im Camp zweifelte daran, dass Harley dabei seine Finger im Spiel gehabt hatte.
In derselben Nacht wurde Luk aus dem Tiefschlaf gerissen.
»Pst!«, flüsterte jemand so dicht an seinem Ohr, dass Luk den Atem auf seinem Hals spürte. »Kommen Klargrube. Schnell!«
Wladimir! Wer sonst redete so?
Noch während Luk Wladimir weghuschen hörte, drehte er sich auf die andere Seite, um weiterzuschlafen. Er hatte nicht vor, sich von Wladimir in die nächste Falle locken zu lassen. Bei Wladimir wusste man nie wirklich, woran man war. Total undurchsichtig, der Typ.
Luk war schon fast wieder weggedämmert, als er hochfuhr. Senkrecht saß er im Bett. Harley! Der plante irgendwas, das war klar. Und es musste irgendwas mit Benni zu tun haben.
Und mit mir, dachte Luk.
Er glitt aus dem Bett, klemmte sich den zusammengerollten Overall unter den Arm und holte die Stiefel unter dem Kopfkissen hervor. Barfuß und nur in der Unterhose schlich er aus dem Gruppenraum.
Auf dem langen Korridor war es so dunkel, dass er sich an der Wand entlangtasten musste. Seit den neuen Sparaktionen wurde nachts auch die Notbeleuchtung in den Gebäuden ausgeschaltet. Es war streng verboten, die Deckenlampen anzuknipsen, wenn man aufs Klo musste. Selbst dort war es einige Wochen lang stockdunkel gewesen. Bis der Toilettendienst eine Eingabe gemacht hatte. Jetzt brannte dort nachts eine einzige schwache Energiesparbirne, die sich nach zwei Minuten automatisch wieder ausschaltete.
Luk fand die Treppe. Langsam stieg er die Stufen hinunter, immer dicht an der Wand, jeden Moment bereit, die Stiefel und den Overall fallen zu lassen. Vielleicht lauerten sie wieder irgendwo in der Dunkelheit auf ihn, Harleys Schlägertypen.
Aber niemand trat ihm in den Weg. Oder sie hatten ihn an sich vorbeigelassen, um ihm den Rückweg abzuschneiden. Luk sah einen dünnen, hellen Streifen. Die Tür nach draußen stand einen Spalt auf.
Luk blieb stehen und lauschte. Nichts rührte sich.
Er stellte die Stiefel auf den Boden und rollte den Overall auseinander. Dies war der gefährlichste Moment. Wenn sie über ihn herfielen, während er in die Hosenbeine
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