Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
Spezielles?«
Cole stand auf. »Darf ich Ihnen etwas vorspielen? Eine der Audioaufzeichnungen?«
»Sicher. Aber halten Sie es kurz, einverstanden?«
Cole hielt sein Gooseberry hoch. »Es geht um eine Aufzeichnung, die einen Teil eines Gespräches zwischen Sidney Myshko, dem Kommandanten eines der frühen Mondflüge, und dem Kontrollzentrum zum Inhalt hat. Das Ganze spielt sich während eines Orbitalflugs im Januar 1969 ab. Sechs Monate, bevor Neil Armstrong auf dem Mond gelandet ist. Es dauert nur ein, zwei Minuten und wird von jeder Menge anderer Kommunikationen überlagert. Aber dieser Abschnitt ist besonders interessant. Der erste Sprecher ist Myshko. Bitte behalten Sie im Hinterkopf, dass Myshko den Mond zu diesem Zeitpunkt bereits erreicht hat und in der Umlaufbahn ist.« Cole aktivierte das Gerät.
Myshko: Houston, nähern uns Startposition.
Houston: Sie haben Startfreigabe.
Myshko: Vier Minuten.
Houston: Verstanden.
Myshko: Houston, das ist unglaublich.
Houston: Vergessen Sie nicht, dass wir den Kontakt verlieren, sobald Sie den Horizont passiert haben.
Myshko: Verstanden. (Pause.) Wir sind im LEM. Bereit zum Start.
Houston: Viel Glück, Jungs.
Jerry runzelte die Stirn. Er konnte sich nicht von der ersten Zeile lösen: Nähern uns Startposition.
»Das, Jerry, hätte ein reiner Orbitalflug werden sollen, und zwar mehrere Monate vor Apollo 11. Aber Myshko und das Kontrollzentrum reden, als ginge es um Vorbereitungen für eine Landung.«
»Das kann nicht stimmen, Warren.«
»Soll ich es noch einmal abspielen?« Im Publikum war es totenstill geworden.
»Bitte.«
»Wir sind im ULM.« Das LEM, das Lunar Excursion Module, also die Mondlandfähre, war, wie der Name schon sagte, einzig dazu gedacht, die Astronauten des Fluges auf die Oberfläche des Erdtrabanten zu bringen. »Bereit zum Start.«
»Hm, tja, Warren«, meinte Jerry. »Eine Panne, nehme ich an. Eine Störung in der Funkübertragung.«
Cole hob das Gooseberry hoch. Starrte ihn an. »Hm, ja. Können Sie sich erklären, wie es zu einer derartigen Störung gekommen sein könnte?«
Versuchsweise lachte Jerry. »Ich halte das Ganze für einen Scherz. Für den Fall, dass die Presse mithört.«
»Im Ernst jetzt, Jerry!«
»Okay, Warren, sehen Sie: Ich höre das heute zum ersten Mal. Also kann ich unmöglich wissen, was dahintersteckt. Ich vermute, hier wurde nur etwas geprobt. Wir alle wissen doch, wie diese Flüge ablaufen. Man macht alles so, als würde man die ganze Mission durchführen, man landet nur nicht. So abwegig ist das doch nicht, oder?«
»Naja, aber wenn man sich den Funkverkehr so anhört, wirkt das Ganze schon sehr seltsam.«
Nach der Myshko-Mission hatte es noch zwei weitere Testflüge zum Mond gegeben. Einer im April unter dem Kommando von Aaron Walker und im Mai Apollo 10 unter Thomas Staffort. Dann war Apollo 11 gestartet und hatte die Welt verändert. »Diese Dinge sind vor meiner Zeit passiert, Warren.«
»Vor meiner auch, Jerry.«
Unruhe breitete sich im Saal aus. Cal McMurtrie, der hinter Cole saß, fragte diesen, ob die Aufnahme wirklich aus den Dokumentenpaketen stamme und wo genau sie dort zu finden sei.
»Tja«, versuchte Jerry die Sache abzukürzen, »wie gesagt, da liegt irgendeine Art Fehler in der Funkübertragung vor. Höchstwahrscheinlich geht es nur um einen terrestrischen Testlauf. Ist die Aufnahme datiert?«
»14. Januar 1969.«
»Geben Sie mir etwas Zeit, die Sache zu überprüfen! Ich melde mich dann bei Ihnen.« Jerry sah sich im Publikum um und wählte eine Person aus, die ihm üblicherweise keine Schwierigkeiten machte. »Sara.«
Mary Gridley war die Leiterin der NASA und eine angenehme Vorgesetzte, obwohl nur ihre politischen Beziehungen ihr diesen Posten eingetragen hatten. Was allerdings auch für Jerry galt. Gridley hatte auf dem Korridor auf ihn gewartet. »Was zum Teufel war da los?«, fragte sie ihn mit ihrer durchdringenden Stimme in vorwurfsvollem Ton. Mary war groß, größer als Jerry, und eine der klügsten Personen, die er je kennengelernt hatte. Um ihren Willen durchzusetzen, war sie imstande, jedermann zu manipulieren. Allerdings ging es ihr dabei immer um die NASA, statt sich, wie einige andere Vorgesetzte, die Jerry hatte erleben müssen, lediglich auf die eigene Karriere zu konzentrieren. Für Fehler hatte sie nicht sonderlich viel Verständnis, und ihr Blick verriet deutlich, dass jemand einen Fehler begangen hatte. Jerry war ziemlich sicher, dass er wusste, wen sie für den
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