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Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)

Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)

Titel: Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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Übeltäter hielt.
    »Haben Sie die Pressekonferenz verfolgt?«, fragte er, obwohl er verdammt genau wusste, dass sie zugesehen hatte. Aber er brauchte schlicht einen Moment Zeit, seine Verteidigung zu organisieren.
    Mary machte eine unzweideutige Geste den Gang hinunter in Richtung auf ihr Büro und wirbelte auf dem Absatz herum. Jerry, der bis dahin neben ihr gegangen war, blieb jetzt nichts anderes übrig, als ihr gehorsam zu folgen. Sie sagte nichts mehr, bis sie die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. Dann atmete sie hörbar aus. »Jerry«, sagte sie, »das da draußen war als Feierstunde gedacht.«
    Genau, so war es gedacht gewesen. Daher war Jerry fest davon ausgegangen, er würde den ganzen Vormittag damit zubringen, über Mondspaziergänge zu plaudern, über Robotermissionen zum Jupiter, über Voyagers und die internationale Raumstation. Ein paar nette Aussprüche berühmter Raumfahrer hatte er parat gehabt. Buzz Aldrins Bonmot etwa, die Menschheit dürfe sich nicht so in sozialen Problemlösungsversuchen verlieren, dass sie darüber die Sterne vergäße. Oder Neil deGrasse Tysons Bemerkung, er sei es leid, immer nur um den Block zu fahren, um mutig jene Orte aufzusuchen, die vorher schon Hunderte andere besucht hätten, nein, er mustere mit Freuden für die Reise in eine neue Welt an. Selbstredend hatte Jerry noch ein Dutzend anderer Zitate auf Lager, die er in den letzten Jahren noch nicht hatte an den Mann bringen können. »Ich weiß«, sagte er, »ich habe nicht damit gerechnet …«
    »Eben! Sie, Jerry, haben die Situation nicht im Griff gehabt! Sollte so etwas je wieder passieren, sagen Sie einfach, es hätte da ein Missverständnis gegeben, und dann widmen Sie sich dem nächsten Thema. Aber stehen Sie nicht einfach rum und reden sich um Kopf und Kragen! Die Geschichte mit Sidney Myshko …«
    »Es tut mir leid, Mary.«
    »Ich hatte Sie für klüger gehalten.« Sie seufzte. »Nie wieder dürfen Sie sich die Kontrolle über ein Gespräch derart aus den Händen nehmen lassen! Wenn Sie das tun, haben Sie schon verloren.« Mary setzte sich hinter ihren Schreibtisch und schüttelte den Kopf. »Wir müssen herausfinden, was passiert ist, soweit das möglich ist, und eine offizielle Erklärung abgeben. Die verdammte Geschichte verbreitet sich schon jetzt wie ein Lauffeuer.«
    »Sie machen Witze!«, meinte Jerry.
    Mary drückte eine Taste auf ihrer Tastatur, und der Bildschirm leuchtete auf. Sie hatte eine Suche nach ›Sidney Myshko Jerry Culpepper‹ durchgeführt, und der Bildschirm zeigte 28.726 Beiträge an. Jerry beugte sich vor, um besser lesen zu können, und ihm bot sich in Auswahl etwa das:
    Wann sind wir tatsächlich auf dem Mond gelandet? NASA-Pressesprecher Culpepper ahnungslos.
    Verwirrung bei der NASA; Regierung nicht imstande, für Klarheit zu sorgen.
    Das sind die Leute, die unsere Raketen ins All schießen?
    Ist schon vor Armstrong jemand auf dem Mond gelandet?
    Die Verschwörungstheoretiker melden sich zurück.
    Es war Neil Armstrong, Dummkopf.
    Auf dem Weg in sein Büro blieb Jerry vor dem Schreibtisch seiner Sekretärin kurz stehen. »Barbara«, gab er ihr Anweisung, »holen Sie mir bitte Al Thomas ans Telefon!«
    Dann verschwand er durch seine Tür. Kaum dass diese ins Schloss fiel, sank er auf einem der Besuchersessel zusammen. Bemerkenswert, wie derart triviales Zeug sich zu solch einem großen Problem auswachsen konnte! Umso mehr in einer Behörde.
    Die Wände des Büros hingen voller gerahmter Bilder mit Stationen von Jerrys Laufbahn. Jerry neben Präsident Cunningham während eines NASA-Dinners. Im trauten Zwiegespräch mit dem Gouverneur von Florida. Herzlich lachend mit Senator Tilghman. Händeschüttelnd mit Jon Stuart. Jerry war mit allen möglichen Prominenten aus Politik und Unterhaltung zu sehen. Aber es gab nicht ein einziges Foto von ihm zusammen mit einem Astronauten.
    Astronauten nämlich gab es nicht mehr. Schon seit Jahren nicht mehr.
    Jerry hatte sich die Nachrichten angesehen, ehe er zu der mittäglichen Pressekonferenz hinuntergegangen war, und auf dem Bildschirm das laufende TV-Programm angelassen. Ironischerweise lief eine alte Raumschiff Enterprise-Folge. Captain Kirk befahl soeben, die Schilde hochzufahren und die Kampfstationen zu besetzen.
    Jerrys Rufton gab Laut, Enterprise verschwand und wurde durch Al Thomas’ freundliche Züge ersetzt. »Hi, Jerry«, sagte er in seinem typischen Bariton. Er hörte sich an wie der Star eines Actionfilms. Tatsächlich aber

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