Das Chamäleon-Korps
gepreßt.
„Nein“, sagte Jolson.
Zwei Gruben weiter wedelte ein spitzköpfiger Mann mit einem Handrecorder einer fetten, ringbesetzten Frau in einem schwarzen Nadelstreifenanzug vor der Nase herum. Die Frau kniete am Grubenrand. „Das hier ist mir wichtig, Mrs. Erasmus“, sagte er. „Und jetzt hören Sie damit auf, mich über den ganzen Planeten zu verfolgen.“
„Sie schulden uns noch fünfundneunzig Dollar für die Testamentseröffnung“, sagte Mrs. Erasmus, „und dreiundsechzig Dollar für verschiedene Auslagen. Ihre Raten für die Dauerpflege stehen schon derart lange aus, daß das Unkraut um die Krypta Ihres armen verstorbenen Onkels nur so hochsprießt. Und die Narzissen sind auch schon alle eingegangen.“
„Er ist nicht einmal mein Onkel“, sagte der Mann mit dem Recorder und erhob sich in seiner Grube. „Er ist der Onkel des Mannes, der in meiner Hütte gewohnt hat. Sie schicken Ihre Rechnungen immer an den falschen Adressaten, Mrs. Erasmus. Alles, was ich möchte, ist, an meinen Gedichten zu arbeiten, und die einzigen Orte, an denen ich in aller Ruhe arbeiten kann, sind Cafes, die in der Nacht geöffnet haben.“
„Sie brauchen mir nichts über Ihren Modus vivendi zu erzählen“, sagte Mrs. Erasmus. „Ich habe genügend Informationsbänder über Sie, um damit eine Ziege erwürgen zu können.“
„Auf diesem Planeten gibt es keine Ziegen.“
„Jetzt werden Sie nicht lyrisch! Sie sind nicht besser als irgend jemand sonst! Ich will die zweihundertsechsundvierzig Dollar, und Ihr armer Onkel Edwin kann in Frieden ruhen. Und ich kann diese Akte endlich abschließen und die nächsten paar Tage hierin den Dampfbädern verbringen. Wenn ich Sie schon bis zu einem Etablissement verfolgt habe, dem ein wunderbares Dampfbad angeschlossen ist, dann will ich auch wenigstens etwas davon haben.“
„Entschuldigung“, sagte Jolson zu Mary Jane. Er verließ ihre Grube und schritt zu der kauernden Mrs. Erasmus hinüber. Er hockte sich neben sie und fragte: „Ma’am, ist das da draußen vielleicht Ihr Bodenkreuzer?“
„Ist er. Und jetzt stören Sie mich nicht beim Geldeintreiben.“
„Würden Sie ihn mir vielleicht für die beiden Tage, die Sie hierbleiben möchten, vermieten?“
Sie drehte sich um und sah ihn mißbilligend an. „Das würde ich vielleicht, aber dieser Penner hier, der keinerlei Respekt vor den Verstorbenen hat, will ja nicht zahlen.“
„Der Typ, den sie eigentlich belangen müßte, ist vor sechs Jahren ausgezogen“, sagte der Dichter.
Jolson wandte sich an Mrs. Erasmus und sagte: „Ich habe notgedrungen Ihre Unterhaltung mitgehört und mag gar nicht daran denken, daß Onkel Edwins Ruhe noch nicht voll bezahlt ist. Ich würde die Rechnung gerne selbst begleichen, wenn Sie mir Ihren Kreuzer vermieten.“
Mrs. Erasmus stellte sich ächzend auf. „Sie sind ein junger Philanthrop. Ich habe mir das schon gedacht, trotz Ihrer langen Haare, junger Mann. Sie müssen mir hundert Dollar Kaution hinterlassen, einen Vertrag in dreifacher Ausführung unterschreiben und mir Ihre gesamten Ausweise mit Ausnahme derjenigen, die Sie für den Fahrzeugbetrieb benötigen, hierlassen. Okay?“
Als Jolson weiterfuhr, war der Nebel bereits dichter. Er mußte vorsichtig fahren, obwohl die nächtliche Fahrbahn ruhig und leer war.
Nachdem er vom Motel ‚Zum Ewigen Frieden’ aus dreißig Meilen gefahren war, gab der gemietete Kreuzer plötzlich ein malmendes Geräusch von sich. Das Fahrzeug kam auf der glitschigen Fahrbahn ins Schleudern. Plötzlich schaltete sich der Motor ab, und das Getriebe und die Gleiter drehten ohne jede Synchronisation durch. Jolson stellte den Betriebshebel auf AUS und öffnete die Kabinentür.
Er schwang ein Bein aus dem Kreuzer und wollte gerade auf die neblige Straße steigen, als etwas seinen Fuß packte und daran zog. Er schlug mit dem unteren Rückgrat auf das Trittbrett auf, rutschte dann auf die Straße, und bevor er einen Schmerzensschrei ausstoßen konnte, streckte ihn ein Schlag übers Ohr nieder.
20
Über einem der Särge sah er durch ein ovales, kleines, mit rostigem Schmiedeeisen verziertes Fenster in den dünnen, grauen Morgen hinaus. Jolson zitterte in der Hocke so lange, bis er wach war. Er befand sich auf einer kalten Steinplatte. Seine Handgelenke waren hinter seinem Rücken mit etwas zusammengebunden, das sich wie dicke Wollschals anfühlte, seine Fußknöchel waren über Kreuz mit vergoldeten Kordeln gefesselt. Als er seine Knie zur
Weitere Kostenlose Bücher