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Das Chamäleon-Korps

Das Chamäleon-Korps

Titel: Das Chamäleon-Korps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Goulart
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rollte in Richtung Friedhöfe davon.

 
19
     
    Rot und gelb und grün blitzten Mausoleen und Monumente hinter den Fenstern des Busses. Offenbar war dieser Friedhof zu einer Zeit aufgefüllt worden, als Reiterdenkmäler in Mode gewesen waren. An beiden Straßenseiten erstreckten sich Reihen von berittenen Gestalten, deren Marmorimitat nach und nach rot, gelb und grün wurde, als es von den rotierenden Bodenscheinwerfern bestrahlt wurde.
    Die Frau mit dem Doppelkinn, die neben Jolson saß, schluchzte in ein Wegwerftaschentuch. Jolson fragte: „Besuchen Sie einen nahen Verwandten?“
    „Nein, junger Mann“, sagte die Frau. „Ich kenne niemanden auf diesem Planeten, weder Tote noch Lebende.“
    „Ich habe bemerkt, daß Sie weinen.“
    „Ich liebe Pferde. Wenn ich so viele Pferdeabbildungen auf einmal sehe, dann nimmt mich das immer furchtbar mit.“
    Vor ihnen saß ein beinahe glatzköpfiger Mann, der sich nun umdrehte. „Sind Sie beide auf Pauschalreise hier?“
    „Nein“, sagte Jolson.
    „Ich mache eine Drei-Planeten-in-drei-Wochen-Reise“, sagte die dicke Frau und rieb sich die geschwollenen Augen.
    „Ich heiße Löwenkopf“, sagte der Mann, während die Lichter draußen sein Haar grün färbten. „Ich mache jedes Jahr eine Pauschalreise nach Esperanza, wenn in meinem Pornoladen auf Barafunda nicht so viel los ist. Dieses Jahr mache ich die Apotheker.“
    „Apotheker?“ fragte Jolson und entdeckte einen weiteren freien Sitzplatz weiter den Gang entlang auf der anderen Seite.
    „Ich besuche nur die Gräber berühmter Apotheker. Letztes Jahr habe ich Schauspieler gemacht. Habe eine Ecke aus Hasselblads Krypta geschlagen. Erinnern Sie sich noch an Hasselblad? Tun wenige Leute, aber es gab mal eine Zeit, da nannte ihn jeder ‚den Mann, dem man gerne einen dicken Kuß geben würde’. Hasselblad war ziemlich groß im Showgeschäft, als ich noch jung war.“
    „Ich komme immer wegen der Blumen“, sagte die Frau. „Blumen und Pferde, das sind meine beiden großen Leidenschaften.“
    „In einem Jahr bin ich immer nur Berg- und Talbahn gefahren“, sagte der kahlköpfige Mann und drehte sich um.
    „Palomino“, sagte die Frau und stieß mit dem Arm gegen das Fenster.
    Jolson stand leise auf und setzte sich auf einen anderen Sitz. „Entschuldigen Sie“, sagte er zu dem breitschultrigen, äußerst blonden Mädchen, neben dem er nun saß. Er langte unter seinen Sitz und reichte ihr eine Rolle mit Fotokopmagazinen.
    Das große Mädchen legte die Nase in Falten und lächelte linkisch. „Fanzines“, sagte sie. Sie streichelte ihre nackten Knie und lachte. „Ich schreibe übrigens für Fanzines.“
    „Tun Sie das?“ fragte Jolson.
    „Was soll ich tun?“
    „Für Fan-Zeitschriften schreiben.“
    Sie schlug sich auf die Knie und verzog die Nase. „Ich bin noch ein Neuling in der Branche. Sonst würde ich auch schneller begreifen. Ich würde Ihre Fragen spüren und sie besser einordnen können. Ja, ich schreibe für eine Kette von Friedhofs-Fanzines, die ihre Zentrale auf Murdstone hat. Das Vernünftige Freundliche Verlagsimperium, vielleicht haben Sie schon einmal davon gehört?“
    Jolson sagte: „Nein.“
    Das Mädchen hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Hatte ich vorher auch nicht. Ursprünglich war ich bloß eine dumme Versandkraft für Dikta-Androiden, aber dann sagte ich mir eines Tages: ‚Was soll’s?’ und habe einen Roman geschrieben.“
    „Einen Roman?“
    „Vielleicht gibt’s die nicht auf Ihrem Planeten. Wie eine Zeitschrift, nur dicker. Über das Heranwachsen, über Liebe und frühen Kummer. Ich habe ihn nicht verkaufen können, aber es war etwas, das ich hatte machen müssen, und dann habe ich diesen Job beim VFV bekommen. Wir schreiben über alle Friedhöfe auf Esperanza, über diejenigen, die bei den Fans am beliebtesten sind.“ Sie blickte durchs Fenster und runzelte ihre Nase. „Dieses Jahr sind Pferde nicht besonders in. Jetzt steht man auf Giebel und Schluchten.“
    „Und die Leute“, fragte Jolson, „kaufen Ihre Zeitschriften, um etwas über Friedhöfe zu lesen?“
    „Genau“, sagte die große Blondine. „Ich schätze, daß ich das alles ein bißchen durcheinander erkläre. Bislang saß ich am Krebsscherenpult – so nennen wir das in der Fanzine-Branche –, am Krebsscherenpult und habe Vor-Ort-Berichte umgeschrieben, auf den Stil des VFV zugeschnitten. Wir haben einen sehr eigenen Stil.“
    „Ich lese nicht viel“, sagte Jolson. „Ich mag mehr

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