Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Chamäleon-Korps

Das Chamäleon-Korps

Titel: Das Chamäleon-Korps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Goulart
Vom Netzwerk:
Seite drehte, warf er einen halbvollen Sack mit süßstoffglasierter Haustiernahrung um. Der karierte Sack fiel fünf Fuß herab, bis er auf dem Boden der Krypta ankam, und verstreute Kugeln über einen Stapel verblichener Beileidskarten.
    Jolson gähnte automatisch und atmete tief ein. Die Luft stach ihm nadelscharf in die Lungen. Ein halbes Dutzend Särge lagen im matt beleuchteten Raum auf Regalen, die dem seinen ähnelten. Der ihm am nächsten liegende Sarg war mit handgeschnitzten ländlichen Szenen geschmückt, und während er ihn noch betrachtete, fing ein Schaf an zu leuchten. Jolson schwang seine gefesselten Beine von der Regalkante und setzte sich aufrecht. Dabei stieß er mit einem Stiefel gegen einen Sarg, und ein Stapel Fernsehzeitschriften des letzten Jahres polterte herab.
    Links von seinen baumelnden Beinen stand ein tragbares Mikrofilmlesegerät, auf dessen Kontrollpaneel ein angebissenes Sandwich lag. Durch das ovale Fenster sah Jolson zu, wie der Tag draußen Farbe annahm. Inzwischen würde Jennifer auf der Insel sein. Jolson versuchte, seine Hände auseinanderzureißen, doch die zottigen Fesseln hielten stand.
    Am anderen Ende der Krypta erschien ein farbiges Fenster oben auf den Marmortreppen und kam auf ihn zu. ZUM GEDÄCHTNIS AN DEN LIEBEN ONKEL VINCENT stand in grünen Glasknöpfen am oberen Rand des Fensters, das einige ökumenische religiöse Szenen zeigte.
    Als Jolson die dicken Finger an den Rändern des Fensters erblickte, fragte er: „Gehören Sie zu den Leuten, die mich eingetütet und in diesem Grabgewölbe festgebunden haben?“
    „Ich muß erst mal das Ding hier abstellen.“ Ein dickes Mädchen in einem pastellgeblümten Kleid im Zeltdesign stellte das Fenster an einer staubigen elektronischen Heimmusikanlage ab. Ihr kastanienfarbenes Haar war lang und hing offen herab.
    „Wohnen Sie hier?“ fragte Jolson sie.
    Das Mädchen kratzte sich an ihrem dicken, nackten Fußknöchel. „Ja. Ich hasse Hausarbeit, deswegen sieht es hier ein bißchen durcheinander aus. Finden Sie, daß es ein schlechter Zug bei einer Frau ist, wenn Sie nicht gerne putzt?“
    „Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der in einer Krypta wohnt“, sagte Jolson. „Deswegen habe ich auch keine vorgefertigten Meinungen dazu.“
    „Als ich noch im Randbezirk wohnte, war ich auch nicht anders“, sagte das Mädchen. Sie schritt durch den vollgestopften Raum und zerrte an Jolsons gefesselten Füßen, so daß er herabfiel. Bevor er zu Boden stürzte, fing sie ihn unter den Armen auf und lehnte ihn gegen das Mikrofilmlesegerät. „Mein Name ist Nadia Lanzer, und ich wiege fast vierzig Pfund zuviel für meine Körpergröße. Stört Sie das?“
    „Was mich stört ist allein die Tatsache, daß ich an Händen und Füßen gefesselt in einem Grabgewölbe bin“, sagte Jolson. „Haben mich Ihre Leute aus meinem Bodenkreuzer gezerrt und mir eins über den Kopf gegeben?“
    Nadias runde Wangen waren von der frischen Morgenluft draußen gerötet, und sie rieb sie mit einer Hand. „Sie sind auch jünger als ich. Gute acht Jahre, schätze ich. Mögen Sie reife Frauen? Reife, gekoppelt mit Gewichtsproblemen?“
    Jolson erinnerte sich daran, daß er immer noch in seiner Will-Roxbury-Phase war. „Könnten Sie mich vielleicht losbinden, bevor wir uns unterhalten?“
    „Dazu habe ich nicht die Befugnis“, sagte sie und rückte ein wenig von ihm ab. „Ich kann sogar dafür getadelt werden, daß ich Sie vom Regal heruntergeholt habe. Was halten Sie von Frauen, die für einen Mann etwas riskieren?“
    „Wer ist denn hier der Chef?“ fragte Jolson.
    „Trevor“, sagte das dicke Mädchen. „Ich kann besser kochen als putzen. Es ist völlig in Ordnung, wenn ich Ihnen Frühstück mache. Ich finde das sehr weiblich, Frühstück für einen Mann zu machen.“
    „Trevor?“
    „Trevor Macy“, sagte Nadia. Sie nahm ein Paket selbsterwärmenden Haferbrei von einem Bodensarg und hielt es Jolson hin. „Ich lebe schon seit fast zwei Jahren mit ihm zusammen. Mögen Sie Haferbrei?“
    „Ich frühstücke meistens nicht“, sagte Jolson. „Warum hat Macy mich gekascht?“
    „Nennen Sie ihn Trevor“, sagte Nadia. „Er ist einer von den Leuten, die man beim Vornamen nennt. Manche Leute sehen aus wie ihr Familienname und andere wie ihr Vorname. Er ist ein Vornamen-Typ. Trevor.“
    „Aber warum hat er mich hierhergebracht?“
    „Sie sind durch dieses Gebiet gefahren“, sagte das dicke Mädchen, „und zwar nachts. Das tun nur

Weitere Kostenlose Bücher