Das Chamäleon-Korps
Kinder gegeben haben. Sie lieben mich alle, alle glauben sie an Sonnenblume. Sie glauben an das, wofür dieser alte Ort hier steht, und sie verstehen auch, warum ich mich nach dieser alten Stadt benannt habe. Denn das ist die Bedeutung von Jirasol in der alten Sprache, müssen Sie wissen.“ Er fischte zwei blaue Schnappsein aus der Dose. „Die stabilisieren die Wirkung des anderen Zeugs, das ich einnehmen muß. Eine Berufung zu haben, ein Schicksal, das es zu erfüllen gilt, Bronzini, das ist eine schreckliche Verantwortung. Sie können jetzt gehen. Auf Wiedersehen, viel Glück auch. Nehmen Sie sich den Rest des Tages frei.“
Jolson rollte näher an Sonnenblume heran, während Bronzini den Turm verließ.
„Mir Dinge vorzuwerfen!“ sagte Sonnenblume und spülte die Schnappsein mit Sauermilch hinunter. „Schmeckt ja nicht besonders. Mir Dinge vorzuwerfen, dabei sind sie es selbst. Das ist ja das ganze Problem. Macht man es für sie, dann ist alles in Ordnung, dann sind sie glücklich und sagen, daß sie einen gern haben. Man kann explodierende Leute zusammenbasteln, und alles ist in Ordnung, solange es für sie ist, aber nicht, wenn es für mich ist.“ Er setzte sich wieder und griff nach einem Handdiktaphon. „Man hat ein Gewissen, und sie kritisieren einen. Und wenn ich was Gutes tue und die Kinder mich mögen, dann verstehen sie es nicht. Nein, das ist schon in Ordnung, und auch der Streß gehört eben dazu. Ja, so ist es. Man kann nicht ein Führer von so etwas werden und im Unrecht sein. Nicht wahr? Ja, es ist alles in Ordnung. Ich sollte besser auf meine Sachen aufpassen. Nein, ich bin jetzt Sonnenblume. Das ist es, was zählt, den Namen dieser alten Stadt und ihre Religion und ihre Ruinenphilosophie angenommen zu haben. Das bedeutet doch schließlich etwas.“ Er schnitt eine Grimasse in Richtung Mikrophon und rieb es an seinem Kinn. „Ich fühle mich nie mehr wohl. Ganz und gar nicht. Na ja, war ja auch zu erwarten. Wenn das alles vorbei ist, wenn sie nicht mehr das Sagen haben, dann wird’s mir wieder gutgehen. Wenn sie alle explodiert sind. Wenn das Töten aufhört, dann hört auch der Streß auf. Es mußte ja aufhören, so für sie zu arbeiten. Ich weiß doch selbst am besten, was ich mit den Sachen anfangen soll, die ich mir für sie ausdenken mußte.“ Er stand auf, dann setzte er sich wieder. „Genug jetzt. Alles klappt wunderbar. Hat der Mann vom Chamäleonkorps nicht gesagt, daß er irgend etwas Tolles gemacht hat? Irgendwas jedenfalls.“ Er schritt an das Fenstergewölbe, wo der schwarze Vogel immer noch herumpickte.
Jolson rollte durch das Durcheinander hinter ihm her. Er verwandelte sich in sich selbst und nahm Sonnenblume in den Polizeigriff. Er nahm dem zerbrechlichen Mann die Pistole aus dem Hüfthalfter. „Okay, Slack“, sagte er.
Sonnenblume verdrehte den Kopf und sah ihn an. „Sie sind wie alle Kinder hier. Nichts am Leibe, laufen schlampig herum. Ich versuche, ihnen beizubringen, daß es nicht genügt, Überzeugungen zu haben, man braucht auch Stil.“
„Bronzini!“ rief Jolson.
Der Major kehrte zurück. Er richtete eine Pistole auf Sonnenblume. „Hier sind ein paar Klamotten, Jolson. Das ist einer der Nachteile, wenn man Maschinen nachmacht.“
Jolson drehte Sonnenblume langsam herum und ließ ihn los. Er fing den Einteiler, den der Major ihm zuwarf, und zog ihn an. „Jetzt gehen wir in Ihr Kommunikationszentrum, Slack, und rufen uns ein bißchen Unterstützung vom Amt für Politische Spionage und von der Provisorischen Regierung herbei.“
„Sie wollen meine Arbeit hier bremsen?“
„Ja.“
„Es scheint Ihnen nicht klar zu sein, wie wichtig ich bin“, sagte Sonnenblume zu ihm. „Sie erkennen wohl nicht, wie wichtig ich für junge Leute bin.“
„Aber ja doch!“
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