Das Chaos-Casino
weiteren Gestalt in Anspruch genommen, die nun auf der Bühne erschienen war.
»Was, zum Teufel, ist das denn?»fragte einer der Ganoven und gab damit den Gedanken wieder, der die ganze Gruppe durchschoß.
»Lassen Sie sich nicht von meinem Aussehen täuschen, meine Herren«, fuhr die melodische Singsangstimme fort, obwohl sie nun erkennen konnten, daß das Geräusch tatsächlich aus einer mechanischen Kiste kam, die um den Hals des Eindringlings hing. »Ich kann Ihnen versichern, daß ich, wiewohl meine Gestalt nicht dem Menschenstandard entspricht, an den Sie gewöhnt sind, Mitglied der Sicherheitstruppe des Casinos bin und in dieser Eigenschaft Befugnis habe, mit Störungen so umzugehen, wie ich es für angebracht halte.«
Der Sprecher war eine schneckenähnliche Kreatur mit spindeldürren Armen und Stengelaugen. Auf einem Kindergleitbrett balancierend und in eine Röhre aus schwarzem Tuch gehüllt, die die vertraute Uniform der Weltraumlegion mehr andeutete als imitierte, sah das Wesen eher nach einer bizarren Werbefigur als nach einer Autoritätsperson aus.
»Nein, ich meinte, was du da hältst?« berichtigte sich der Ganove. »Das sieht mir nicht nach einer Betäubungskanone aus.«
Der Sinthianer hatte sich einen bedrohlich aussehenden Mechanismus unter den Arm geklemmt. Der röhrenähnliche Lauf, der auf die Ganoven gerichtet war, schien gut einen Zoll Durchmesser zu haben, obwohl sie aus eigener Erfahrung wußten, daß die Mündung einer Waffe immer größer aussah, wenn sie auf einen selbst gerichtet war.
»Das hier?« zirpte der Legionär und beugte einen Augenstengel herab, um sein Gerät zu betrachten. »Sie gehen richtig in der Annahme, daß es sich um eine Waffe handelt. Sie wird jedoch magazinbeladen, was es mir ermöglicht, die Ladung entsprechend der jeweiligen Situation zu wählen.«
Er richtete die Waffe plötzlich auf das am Boden liegende Fleischstück, und sie explodierte mit einem sanften Paffen.
Die Ganoven konnten zwar eine Aufprallinie auf dem Fleisch erkennen, doch schien es keinen nennenswerten Schaden erlitten zu haben. Da sahen sie plötzlich, wie die Oberfläche zu schäumen begann, und ein scharfes Zischen ertönte in ihren Ohren.
»Wie Sie sehen«, sagte der Sinthianer gerade, »habe ich es heute versäumt, meine Betäubungspfeile zum Dienst mitzubringen, eine Nachlässigkeit, die mir sicherlich einen Tadel einbringen wird, sollte sie gemeldet werden. Alles, was ich dabei habe, sind Säureprojektile - und natürlich hochexplosive Munition.«
Er zielte mit der Waffe wieder auf die bewegungslos dastehenden Männer.
»Sollte Ihre Neugier somit befriedigt sein, meine Herren, schlage ich vor, daß Sie mit dem Entladen des Lieferwagens beginnen, wie von Ihnen erbeten. Ich fürchte, daß diese Tätigkeit zwar Ihre Garderobe ruinieren dürfte, aber Sie hätten sich eben dem Anlaß entsprechend kleiden sollen.«
Die Ganoven blickten zu Stilman empor.
»Tut, was er sagt«, krächzte der Anführer, dem immer noch das Messer an der Gurgel saß.
»Und bezahlen für verdorbenes Fleisch, bevor du gehen«, fügte sein Peiniger hinzu.
»Aber ich habe doch gar nicht ...«
»Du schmeißen Fleisch auf Boden, du dafür bezahlen!« knurrte der kleine Mann und verstärkte seinen Griff. »Ja?«
»Okay, okay!« keuchte Stilman. »Bezahlt den Mann ... sofort!«
In meiner privilegierten Position war es mir gestattet, nicht nur einen, sondern gleich zwei Berichte über den Ladezonenvorfall zu vernehmen: Jenen, der im offiziellen Bericht stand, und den anderen, den sich die Legionäre bei Drinks und Kaffee erzählten. So konnte ich nicht umhin zu bemerken, daß in der Schilderung, die meinem Arbeitgeber vorgetragen wurde, sowohl Escrimas Rolle als auch der Gebrauch der Säurepatronen diplomatisch übergangen wurde.
Durchaus wichtiger erschien mir allerdings zu sein, daß dies ein Beleg für anwachsendes böses Blut zwischen den von meinem Arbeitgeber geführten Kräften und jenen war, die Lavernas Arbeitgeberin Bericht zu erstatten hatten. Es bereitete mir Sorge, da meines Wissens beide Führer sich der Spannung nicht bewußt zu sein schienen, die sich in ihren jeweiligen unteren Rängen aufzubauen begannen.
Kapitel 11
Tagebucheintrag #234
Um die Befriedigung, die ein Kommandant empfindet, wenn ein Plan schließlich gelingt, wird häufig viel hergemacht.
Nun wird es dem geneigten Leser einleuchten, daß ich keine Stellungnahme über das Verhalten sämtlicher oder auch nur der Mehrheit
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