Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)
führt ihm Isai vor, einer tüchtiger als der andere, aber an den achten, den jüngsten und kleinsten, hat keiner gedacht, weil er, weitab vom Schuss, die Schafe hütet. Ihn will Gott als König haben. David heißt er.
Auf wen baut Jesus seine Kirche? Auf den Fischer Petrus, diesen wackeligen Fels, der seinen Herrn verraten hatte, noch ehe der Hahn zum ersten Mal krähte.
Nicht nur ein neues Menschenbild kommt damit in die Welt, sondern auch ein neues Gottesbild. Es erzählt von einem Gott, der mit den Schwachen ist, von einem Gott, der keine Helden benötigt, weil er die Schwachen stark macht.
Immer wieder sind es einfache Menschen aus dem Volk, Randständige und Außenseiter, mit denen niemand gerechnet hat, außer Gott. Offenbar braucht er diese Typen, um seine Geschichte voranzutreiben, denn er weiß ja: Erstgeborene haben kein Interesse an einer Infragestellung der herrschenden Ordnung. Könige und Privilegierte haben kein Interesse an der Veränderung der bestehenden Verhältnisse. In den Palästen der Reichen und Mächtigen, wie auch in manchen Staatskanzleien, Vorstandsetagen, Chefredaktionen und bischöflichen Ordinariaten sind die Türen fest verschlossen und die Fenster zu. Kein Durchzug. Frischluft kommt, wenn überhaupt, aus den Klimaanlagen, vermischt sich mit dem Mief der luftdicht verschlossenen Räume, und verursacht Kopfweh. Alles bewegt sich seit urdenklichen Zeiten auf angeblich bewährten eingefahrenen Gleisen, alles ist festgezurrt und erstarrt in Strukturen, die aufzubrechen so viel Kraft erforderte, dass man es lieber bei den alten belässt. Keine Luft zum Atmen. Keine Freiheit. Kein Raum für neue, umstürzlerische Gedanken. Man verfügt ja über gut gehütetes und erfolgreich angewandtes Herrschaftswissen.
Darum muss Gott seinen Sohn, den er zwei Jahrtausende nach Abraham auf die Erde schicken wird, in der fernsten Provinz in einem Kaff namens Bethlehem zur Welt kommen lassen, weitab vom Weltgeschehen und von römischen Herrscherhäusern und Palästen. Die Eltern dieses Sohnes müssen arme Leute sein, der Vater Zimmermann, die Mutter eine einfache Frau aus dem Volk. Maria muss den Sohn Gottes zwischen Ochs und Esel auf Heu und Stroh betten. Nomaden, Hirten, Bauern, Fischer, Handwerker und Frauen aus dem gewöhnlichen Volk – daraus rekrutiert Gott das Personal, das für ihn die Fundamente legt.
Irgendwie sind die einfachen, naiven Menschen mit ihrem kindlichen Gottvertrauen besser für die Arbeit im Reich Gottes zu gebrauchen als die komplizierten, die Schwachen eher als die Starken, die Armen eher als die Reichen, Klugen und Schönen. Jesus sagt es ja selber: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen . (Matthäus 18, 3) Offenbar fällt es leichter, sich auf diesen Gott einzulassen, wenn man nichts zu verlieren, nichts zu verteidigen und nichts hat, worauf man tatsächlich oder vermeintlich stolz sein könnte.
Der Umsturz der natürlichen Ordnungen zeigt sich auch im Abendmahl und im Verständnis von Kirche und Gemeinde als Leib Christi. Der christliche Glaube verabschiedet die alte, natürliche Familie, die auf Blutsverwandtschaft beruht, und etabliert eine neue Familie, die auf Geistesverwandtschaft beruht. Der Eintritt in diese neue Familie erfolgt durch die Taufe. Das gemeinsame Band ist der Glaube an den Stifter dieser Familie, Jesus.
Paulus hat dafür das Wort geprägt: ein Leib, viele Glieder. Etwas zutiefst Natürliches, dem Menschen Eigentümliches wird damit gesprengt: das Clandenken.
In der natürlichen Welt gibt es Rudel, Horden, Schwärme, Clans, Familien. Sie sind dem Darwin’schen Selektionsprinzip unterworfen, dem «survival of the fittest», wobei es der Natur aber nicht um das Überleben des Einzelnen geht, sondern um das Überleben und die möglichst große Verbreitung der ganzen Art. Innerhalb dieser Art können sich also durchaus Mutterliebe, Geschlechterliebe, Sorge füreinander und Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln. Aber diese dem Kampf ums Dasein scheinbar entgegenwirkenden Prinzipien dienen in Wahrheit nur dem Überlebensprinzip.
Die Sichtweite des einzelnen Clanmitglieds endet an der Grenze des Clans. Die Verantwortung des Rudelführers erstreckt sich auf sein Rudel. Andere Rudel sind Nahrungskonkurrenten und müssen vertrieben, kleingehalten, zerstört, einverleibt oder zumindest auf Distanz gehalten werden. Nach diesem Prinzip ist lange regiert worden unter Menschen. In Naturvölkern, in
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