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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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uns dieses Land, ein Land, in dem Milch und Honig fließen. (5 Mose 26, 5–9)
    Abraham, die Isaak-Gruppe, die Jakob-Leute, sie wären heute anatolische Bauern in Berlin-Kreuzberg, Armutsflüchtlinge aus Afrika, die als Boatpeople übers Meer nach Europa zu kommen versuchen, oder Latinos, die über die mexikanische Grenze illegal in die USA einwandern, jedenfalls Außenseiter, Wanderer zwischen den Kulturen, heimatlose Fremdlinge, die nirgends richtig dazugehören, aber angesichts dessen, was sie sehen, auch gar nicht richtig dazugehören wollen. Sie tragen einen Traum mit sich herum, einen Traum von einer eigenen Heimat, die aber anders und besser ist als alles, was sie bisher auf der Welt als Heimat der anderen kennengelernt haben. Aus diesen Träumen wird vermutlich nie etwas werden, weil die Träumer zerstreut sind.
    Die Träumer von damals jedoch, die Träumer in den israelischen Bergen, hockten ums Lagerfeuer herum und malten sich das Land aus, in dem Milch und Honig fließen sollen. Sie berieten sich, wie man das Land fruchtbar macht, kultiviert, erweitert und wie seine Bewohner darin leben und arbeiten sollen. Einer wird dann eine Geschichte über Abraham und dessen Traum beigesteuert haben, ein zweiter über Isaak, ein dritter von Jakob erzählt haben. Dann ging man wieder auseinander, und in der nächsten Nacht saßen einige von ihnen an ganz anderen Lagerfeuern, hörten dort wieder andere Geschichten und gaben ihre eigenen zum Besten.
    Die Leute auf den Hügeln hatten einander also viel zu erzählen, und dass diese Geschichten den Kindern und Enkeln nicht auf die Nerven gegangen sind, liegt an einem wesentlichen Unterschied zu den üblichen Großväter- und Veteranenanekdoten. In diesen stellt sich der Erzähler in den Mittelpunkt, prahlt mit seinen vergangenen Taten, und das ist auf Dauer doch ein wenig ermüdend und hat mit dem Leben der Zuhörer wenig bis nichts zu tun.
    Dagegen berichten die Erzähler der Abraham- und Mose-Geschichten von ihrer Unterdrückung, ihrem Versagen, ihrer Angst, ihren Zweifeln, ihren existenziellen Nöten, und sie erzählen es so, dass sich die Zuhörer darin wiedererkennen, obwohl sie nicht in Ägypten waren. Und außerdem lassen die Geschichten einen anderen Helden glänzen, einen, der alle angeht: Gott.
    Dieser Held, der die Mose-Leute aus größter Gefahr gerettet hat und dadurch für deren Leben entscheidend wichtig geworden ist – ist er wirklich auch unser Gott? werden sich die Abraham-, Isaak- und Jakob-Leute gefragt haben. Meint es dieser noch unbekannte, geheimnisvolle Gott der Väter wirklich gut mit uns?
    Die Mose-Leute erzählen so begeistert von ihm, dass sich die Zuhörer davon anstecken lassen. Sie hören, wie Mose auf dem Berg Horeb einen Dornbusch sieht, der brennt, aber sich nicht verzehrt. Aus diesem brennenden Busch gibt sich Gott als der Gott Abrahams zu erkennen und erteilt Mose den Auftrag, sein Volk aus der Sklaverei zu führen in das Land, das Abraham verheißen wurde.
    Und während die Hörer der Geschichte lauschen und ins Lagerfeuer blicken, erleben sie, wie der Erzähler brennt, der Funke von ihm auf sie überspringt und sie selbst entzündet, und plötzlich brennen sie alle und gehen in der Überzeugung nach Hause, dass dieser Gott im brennenden Dornbusch auch für ihr Leben entscheidend wichtig sei. Sie sind von den Geschichten infiziert worden, haben sich mit ihnen identifiziert und sind überzeugt: Es ist derselbe Gott, von dem die Abraham-, Isaak-, Jakob- und Mose-Leute sprechen, unserer. Dieser Gott brannte sich ihnen ein und versah sie alle mit demselben Brandmal.
    Oder sie gehen noch nicht nach Hause, weil sie mehr hören wollen, und der Erzähler, jetzt in einer gewissen Verlegenheit, ergänzt seine Geschichte mit Details, die er ein Jahr zuvor noch nicht erwähnte. Oder er erzählt eine völlig neue Geschichte, die er kürzlich irgendwo anders aufgeschnappt und beinahe schon wieder vergessen hat und die er jetzt mit eigenen passenden Vorstellungen und Deutungen anreichert.
    Wahrscheinlich hatte der liebe Gott bei der Wahl seines Volkes das Glück, sich ein Volk besonders begabter Erzähler ausgesucht zu haben, vielleicht war es sogar das Kriterium, wonach er ausgewählt hatte – an der Gründung Hollywoods waren zahlreiche Juden beteiligt –, jedenfalls steht die Erzählkunst hoch im Kurs bei den Juden. Das jüdische Volk ist ein geschichtensüchtiges, geschichtsbewusstes und darum geschichtsträchtiges und geschichtsmächtiges

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