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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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zum Aufstand gegen den König. Sein Unterhändler wird gesteinigt, und das Nordreich kündigt Rehabeam die Gefolgschaft. Kurze Zeit später, 929 vor Christus, wählt es sich Jerobeam zum König, der unter Salomo nach Ägypten fliehen musste und nun zurückgekehrt war. Jetzt gibt es im Süden das Königreich Juda mit seinem Herrscher Rehabeam in Jerusalem und im Norden das Königreich Israel mit Jerobeam an der Spitze in Sichem.
    Israel entwickelt sich wirtschaftlich sehr erfolgreich. Besonders um das Jahr 800 unter der Regierung Jerobeams II. blüht die Wirtschaft. Große Viehherden, Weinberge, Olivenhaine und der Handel mit den anderen Ländern lassen in Israel eine reiche Oberschicht entstehen. Das Nordreich Israel ist um diese Zeit wohlhabender, entwickelter und dichter besiedelt als das Südreich Juda. Doch politisch kommt Israel nicht zur Ruhe. Der Versuch, dort ebenfalls eine Königsdynastie zu etablieren, misslingt. Von den insgesamt neunzehn Königen werden acht ermordet. Rivalitäten bestimmen den Fortgang der Geschichte in Israel, während in der Nachbarschaft eine neue Großmacht aufsteigt: Assyrien.
    Juda mit seiner Hauptstadt Jerusalem, dem Tempel und der Davids-Dynastie erwies sich als stabiler, wenn schon lange nicht als wirtschaftlich so erfolgreich wie Israel. Aber auch hier dominieren Kämpfe um Macht, Einfluss, Posten und Pfründe die Entwicklung. In beiden Staaten gibt es Arme, Fronarbeiter und unterdrückte Gruppen. Beide Staaten sind Klassengesellschaften, aber in Israel tritt das früher und deutlicher hervor als in Juda, und von Juda aus betrachtet sieht man die Entwicklung im rivalisierenden Land schärfer und kritischer.
    Wahrscheinlich deshalb geht der Judäer Amos im Jahr 750 nach Israel, um dort zu sagen, was er wahrnimmt: den Widerspruch zwischen Wort und Tat. Einerseits wird der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs verehrt, wie es sein soll, werden vorschriftsmäßig Opfer gebracht und die Fasten- und Speisegebote eingehalten, andererseits hat diese gläubige Verehrung Gottes keine Konsequenzen im Alltag Israels. Israel ist eine Klassengesellschaft. Und Amos spricht es aus.
    Damit hat Gott sich nun wieder etwas Neues einfallen lassen. Er schickt seinem Volk jetzt eine ganze Reihe von Einzelnen, die ohne Rücksicht auf König, Klerus und Volk – und auch ohne Rücksicht auf sich selbst, denn natürlich werden sie gehasst – einfach die Wahrheit sagen, die herrschenden Zustände beschreiben, sie kritisieren, die Verantwortlichen beim Namen nennen und prognostizieren, was geschehen wird, wenn alles einfach immer so weitergeht. Diese Menschen werden im Alten Testament Propheten genannt, und Amos ist der erste in einer längeren Reihe.
    An dieser Reihe fällt auf: Es sind durchweg Außenseiter, keine Funktionäre des Staates oder des Kultes, keine Hofbeamten und keine Tempeldiener, sondern meistens handfeste Leute aus dem Volk mit normalen Berufen. Solcher Leute bedient sich Gott, um jene verkrusteten Strukturen aufzubrechen, die überall dort entstehen, wo über längere Zeiten professionelle Seilschaften herrschen, die sich abschotten und sich immer wieder aus sich selbst rekrutieren.
    Wir verstehen heute unter Prophet eine Art Wahrsager, ein Orakel, welches die Zukunft vorhersagt. Tatsächlich aber haben die Propheten Israels vor allem Zeitdiagnosen geliefert, Missstände benannt, politische Zusammenhänge durchschaut und daraus ihre Schlüsse für die Zukunft gezogen nach dem Motto: Fehlverhalten richtet sich selbst. Zwar können Einzelne ein Leben lang gegen alles, was Recht ist, verstoßen, ohne dass ihnen etwas passiert, und auch ein ganzes Volk kann eine Zeit lang alle Gesetze missachten, ohne dass etwas geschieht, aber niemals können alle dauerhaft alle Regeln brechen, ohne dass dies Konsequenzen hat.
    Es gab auch Berufspropheten in Juda und Israel, die für ihre Prophetenworte bezahlt wurden. Aber diese sind nicht gemeint, wenn die Bibel von Propheten spricht. Sie versteht darunter durchweg von Gott Berufene, die aus eigener Vollmacht redeten. Diese Berufenen waren Strukturenknacker, Sand im Getriebe des gut geschmierten Apparates der professionellen Seilschaften. Sie waren geistig und materiell unabhängig vom Staat und vom Klerus.
    Amos, zum Beispiel, sagt von sich: Ich bin kein Prophet und keines Propheten Sohn, sondern ein Hirt bin ich und züchte Maulbeerfeigen! Aber der Herr hat mich von den Schafen weggenommen und zu mir gesagt: Geh, weissage meinem Volk Israel! (Amos 7,

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