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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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Monotheismus ein, denn nun ahnt Juda, warum Israel untergehen musste. Es könnte die Strafe Gottes gewesen sein für die Vielgötterei, und, so folgert man, wenn sich das jetzt nicht ändert, wird Juda dasselbe Schicksal ereilen wie Israel. Daher wird nun das Nebeneinander von Jahwe-Verehrung und Verehrung der anderen Götter radikal beendet. Alle Götzenbilder und Skulpturen lässt Josia verbrennen und zu Staub zermahlen, die Kult- und Opferstätten zerstören. Der König sorgt dafür, dass der alte Text dem Volk im ganzen Land bekannt gemacht wird, und er verlangt, dass die Judäer feierlich schwören, die Gebote dieses Textes gehorsam zu befolgen.
    Eine Art zweiter Bundesschluss findet statt, und diesmal ist es kein Mythos mehr wie der Sinai-Bund. Diesmal findet das Ereignis tatsächlich in Ort und Zeit in der Geschichte statt. Das erste Volk der Weltgeschichte vollzieht die monotheistische Wende. Dauerhaft. Aber noch nicht in letzter Konsequenz.
    Ab jetzt wird zwar in Juda nur noch ein Gott verehrt, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Doch der allerletzte Schritt zu einem kompromisslosen Monotheismus steht noch aus, denn die Götter der anderen Völker werden weiterhin als real vorausgesetzt. Ein paar Jahrzehnte lang, vielleicht sogar ein Jahrhundert lang, verharrt das Volk in diesem vorletzten Stadium vor dem reinen Monotheismus. Ab jetzt wird in Juda jedes Jahr das Passahfest gefeiert, die Erinnerung an die Herausführung Israels aus Ägypten durch Mose. Ab jetzt wird in Juda die Sozialordnung Gottes ernst genommen. Die Macht der Sippe, wie sie damals üblich war und außerhalb Judas noch lange üblich sein wird, ist gebrochen. Jetzt hat jeder Einzelne Rechte gegenüber anderen Einzelnen, Sippen und sogar dem König.
    Außerdem setzt nun ein tiefes Nachdenken über die bisherige Geschichte ein. Die schon geschehene und gedeutete Geschichte wird unter einem neuen Blickwinkel noch einmal gedeutet. Alle bekannten Geschichten werden unter dem Aspekt erzählt, dass das Volk Israel in der Vergangenheit immer dann gut fuhr, wenn es Gott allein verehrte und dessen Gesetz beachtete, und dass es stets schiefging, wenn es gegen den göttlichen Willen verstieß. Darum liest man jetzt von fast jedem König, egal ob in Juda oder Israel: Und der König tat, was dem Herrn missfiel . Die gesamte Königsliteratur wird königskritisch, machtkritisch.
    Darum wollte man jetzt tun, was dem Herrn gefällt. Man tat es auch – und erlitt trotzdem das Schicksal Israels. Auch Juda ging unter. Warum? In Juda wurde die Alleinverehrung Gottes ernst genommen, und trotzdem endete auch die judäische Geschichte in einer Katastrophe. Warum? Wozu brauchte es diese Katastrophe?
    Diese Frage nahmen die Deportierten mit ins babylonische Exil. Um diese Frage scharten sich die Zurückgebliebenen im zerstörten Juda. Damals verfestigte sich die jüdische Eigenheit, rückblickend vorwärtszuschreiten, das Gesicht dem Vergangenen und den Rücken der Zukunft zugewandt. So wurde die jeweils erreichte Gegenwart deutend in die Vergangenheit eingeordnet.
    Rückwärts verstehen, vorwärts leben – in dieser Haltung hat das Volk damals, in der Exilszeit, die Antwort gesucht auf die Frage aller Fragen: Wie konnte geschehen, was geschehen ist? Ein Land voll Milch und Honig war uns verheißen, aus ägyptischer Knechtschaft sind wir befreit worden, und nun sind wir wieder Knechte, ohne Land, ohne König. Auch ohne Gott? Hat er sich abgewandt? War es gar ein falscher Gott, dem wir anhingen? Wenn nicht, wenn es der richtige ist, warum hat er uns dann in diese Katastrophe geführt?
    Weil wir immerzu taten, was ihm missfiel?
    Ja, sagten die Priester. Unser Schicksal ist selbst verschuldet. Wir haben den Bund mit unserem Gott gebrochen und dafür nun von ihm die Quittung bekommen. Und sie formulierten den Zorn Gottes, seine Enttäuschung, seine Strafe:
    Hört des Herrn Wort, ihr Kinder Israel! Denn der Herr hat zu rechten mit den Bewohnern des Landes, weil keine Treue, kein Erbarmen und keine Gotteserkenntnis im Lande ist. Fluchen und Lügen, Morden, Stehlen und Ehebrechen hat überhandgenommen, und Blutschuld reiht sich an Blutschuld. Darob trauert das Land und müssen verschmachten alle, die darin wohnen; die Tiere des Feldes, die Vögel des Himmels und auch die Fische im Meer werden dahingerafft. (Hosea 4, 1–3)
    Gott hat uns bestraft, sagten die Priester, aber er hat sich nie von uns abgewandt. Wir haben den Bund mit ihm gebrochen, aber er nicht seinen mit

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