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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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Vergangenheit ab. Immer musste man sich vor den Göttern fürchten, ihnen Tribut zollen, ihnen opfern. Nie war man vor ihren Launen und Missgestimmtheiten sicher. Stets musste man gewärtigen, mit der Befriedigung des einen Gottes den Groll und die Eifersucht eines anderen heraufzubeschwören. Ständig musste man sich fragen: Sind es die richtigen Götter, denen ich diene?
    Das ist jetzt vorbei. Ein großes Aufatmen durchzieht Israel. Man hat das Joch einer bedrückenden Angstreligion abgeworfen. Jetzt, da man weiß, dass es nur einen Gott gibt, dass dieser den Menschen zugewandt ist, kann man sich frei durch die Welt bewegen, getrost in die Zukunft blicken, sich die Erde untertan machen, denn die Satzungen der Heiden sind nichtig. Denn ein Holz ist‘s, das man im Walde gehauen und das der Künstler mit dem Beile zurichtet. Er ziert es mit Silber und Gold und befestigt es mit Hämmern und Nägeln, damit es nicht wackelt. Gedrechselten Palmbäumen gleich sind solche Götzen; sie können nicht reden; man muss sie tragen, denn sie können nicht gehen. Fürchtet euch nicht vor ihnen, denn sie können nicht schaden, und Gutes zu tun steht nicht in ihrer Macht. (Jeremia 10, 3–6)
    Jetzt kann man auch den Schöpfungsmythen der anderen eine moderne Version entgegensetzen, mit aufklärerischer Prosa statt abgestandener Mythologie. Knapp und nüchtern wird gesagt, was zu sagen ist.
    Und es sind unerhörte Dinge, die in dem nun entstehenden zweiten Schöpfungsbericht zu lesen sind, der später von den Priestern an den Anfang der Bibel gestellt wird: Mensch und Welt sind nicht das Ergebnis gewaltiger Zeugungsorgien und bluttriefender Götterausschweifungen, sondern die Schöpfung eines einzigen Gottes. Er, dem niemand dreinreden kann, erschafft die Welt nach seinem Plan. Er muss nicht zeugen und gebären oder, wie der altägyptische Gott Re-Atum-Chepri, masturbieren oder spucken, um aus sich selbst weitere Götter zu generieren. Der neue Gott ist ein wirklicher Souverän, der durchs Wort regiert. Was er will, spricht er aus. Was er ausspricht, geschieht.
    Kein kosmisches Drama entfaltet sich, keine Göttersippen trachten einander nach dem Leben. Drachen, Halbgötter, Dämonen oder Kopfgeburten sind nicht mehr nötig, um die Erzählung in Gang zu halten. Götter, Sphinxe, Zentauren, Stürme, Donner, Blitz: das ganze mythologische Personal samt zugehörigem Fundus ist wie altes Gerümpel auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet.
    Dass Kronos seinem Vater Uranos die Geschlechtsteile abschneidet, diese ins Meer wirft und dem Gemisch aus Meer, Blut und Sperma Aphrodite entsteigt, ist zwar eine schöne Geschichte, aber mit der Realität hat sie nichts zu tun. Sie taugt zur Unterhaltung, nicht zur Erklärung der Welt, denn Himmel und Erde, Sonne, Mond und Sterne, Wasser und Meer, die Naturgewalten und die Schicksalsmächte – in den alten Mythen stets heilig und unantastbar, weil identisch mit den jeweiligen Göttern, die eifersüchtig wie Ressortleiter ihr jeweiliges Revier hüten – sind entgöttlicht und entweiht. Die Erde ist die Erde und nicht zugleich auch noch die Göttin Gaia, vor der man sich fürchten muss. Die Sonne ist die Sonne und nicht zugleich auch noch der Sonnengott Re, den man anbeten muss. Die Sterne sind keine Götter, denen man opfern muss, sondern Lampen, die einem gefälligst zu leuchten haben. Himmel und Erde sind für die Menschen da, nicht umgekehrt.
    Welt und Natur sind weltlich, sagt der biblische Schöpfungstext. Göttlich ist allein Gott. Die Nutzung der Natur für menschliche Zwecke ist freigegeben, der Grundstein für die planmäßige Erforschung der Welt gelegt. Ihre Beherrschung kann beginnen und ist kein Frevel, sondern göttliches Gebot. Und der Mensch hat eine von Gott verliehene und darum unantastbare Würde.
    Eine Revolution hat stattgefunden.

JUDEN UND GRIECHEN: WELT IM UMBRUCH
    Revolutionen ereigneten sich fast zeitgleich auch an anderen Orten.
    Am 28. Mai des Jahres 585 vor Christus kämpften in Griechenland die Lydier gegen die Meder. Die Lydier siegten. Aber nicht ein Feldherr und auch kein Gott hatte die Schlacht gewonnen, sondern ein Mathematiker: Thales von Milet. An jenem 28. Mai gab es in Griechenland eine totale Sonnenfinsternis, und Thales hatte sie schon lange vorausgesagt, nein: vorausberechnet, denn es handelte sich bei seinem Geschäft um Wissenschaft, nicht um Orakelei.
    Dank der Berechnungen des Thales waren die Lydier auf die Sonnenfinsternis vorbereitet. Die Meder

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