Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)
musste: Wenn unser Gott Nebukadnezar als Werkzeug benutzen kann, um uns zu strafen, dann muss er auch Herr über Babylon sein. Und zuvor schon musste er Herr über die Assyrer gewesen sein, und noch früher, als er uns aus Ägypten holte, auch Herr über Ägypten.
Nun war es nur noch ein kleiner, aber alles entscheidender Schritt zur letzten, die Welt provozierenden und erschütternden Erkenntnis: Dann gibt es überhaupt nur einen Gott, unseren. Er ist der Herr über die Welt und die Geschichte, und dann muss er auch deren Schöpfer sein.
Hier haben wir den dritten und ausschlaggebenden Grund für das seltsame Phänomen, dass ein Volk seinen eigenen Untergang überlebt: die Absage an die Götter der anderen und die Hinwendung des Volkes zum Monotheismus in seiner reinsten Form. Von den Anfängen Israels bis zum babylonischen Exil hatte das Volk mit der Existenz mehrerer miteinander rivalisierender Götter gerechnet. Jetzt kommt dem Volk zu Bewusstsein: Die Götter der anderen existieren überhaupt nicht.
Genau das wird dem Volk nun richtiggehend eingehämmert. Das Buch Jesaja, besonders in den Kapiteln 40 bis 48, stellt Jahwe, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, als den einzigen absoluten Weltenherrscher vor, als König über alle Völker und Lenker der Geschichte. Allein im Kapitel 45 wird es innerhalb von vier Versen dreimal hintereinander der ganzen Welt eingebläut: Ich bin der Herr und sonst ist keiner! … Außer mir ist keiner. … denn ich bin Gott und keiner sonst! (Jesaja 45, 18–22)
Diese Wende zum radikalen Monotheismus war einer der größten und folgenschwersten Durchbrüche in der Geistes- und Weltgeschichte. Sie bleibt für immer verbunden mit dem Untergang eines ganzen Volkes und dessen Wiedergeburt als neues Volk Israel, dem erwählten Volk Gottes.
Ob sich die führenden Köpfe, die da in Judäa oder Babylon den endgültigen Schritt zum Monotheismus gemacht haben, der Tragweite und Folgenschwere ihres Gedankens bewusst waren? Dass man noch zweieinhalbtausend Jahre später davon reden wird, und erst recht, dass dieser Gedanke die Gestaltung der Welt und deren Geschichte nun zweieinhalb Jahrtausende lang wesentlich beeinflussen wird, das haben sich die Schöpfer dieser Idee wohl nicht träumen lassen. Aber die Größe ihres Gedankens, das Ungeheuerliche daran muss ihnen bewusst gewesen sein, das merkt man den Texten, die sie danach schrieben, noch heute an.
Götter heißen jetzt nicht länger Götter, sondern Götzen. Diesen bringt man nicht mehr, wie früher, Respekt entgegen, sondern Hohn und Spott und Polemik. Geradezu lustvoll geben die jüdischen Monotheisten die Götzenfiguren aus Holz oder Ton der Lächerlichkeit preis. Die Götzen werden als tote Gegenstände entlarvt, als menschliche Machwerke, die so nutzlos sind, dass man sie getrost in den Jordan werfen kann. Ganz aufklärerisch unterscheiden die jüdischen Monotheisten nun zwischen Glauben und Aberglauben, wahr und falsch, und sie ergehen sich darin, mit fast blasphemischer Häme über die Wirkungslosigkeit und Armseligkeit der selbstgeschnitzten Götter zu lästern.
Der Schmied hat einen Meißel und arbeitet in der Glut und bildet es mit Hämmern und fertigt es mit der Kraft seines Armes; er leidet Hunger, bis er kraftlos wird, und trinkt kein Wasser, bis er ermattet ist. Der Schnitzer spannt die Richtschnur aus, er zeichnet es mit dem Stift, bearbeitet es mit Schnitzmessern und zeichnet es vor mit dem Zirkel; und er macht es einem Mannsbild gleich, wie die Schönheit eines Menschen, dass es in einem Hause wohne. Er fällt sich Zedern und nimmt eine Steineiche oder eine Eiche und wählt sie aus unter den Bäumen des Waldes. Er pflanzt eine Esche, und der Regen macht sie groß. Die dienen dem Menschen als Brennstoff; und er nimmt davon und wärmt sich damit; er heizt ein, um damit Brot zu backen; davon macht er auch einen Gott und verehrt ihn; er verfertigt sich ein Bild und kniet davor! Den einen Teil verbrennt er im Feuer, bei dem andern isst er Fleisch, brät einen Braten und sättigt sich; er wärmt sich und spricht: «Ha, ha, ich habe mich erwärmt, ich spüre das Feuer!» Aus dem Rest aber macht er einen Gott, sein Götzenbild. Er kniet vor demselben, verehrt es und fleht zu ihm und spricht: «Errette mich, denn du bist mein Gott!» (Jesaja 44, 12–17)
Das geschieht nicht, um die anderen Völker zu demütigen, vielmehr schüttelt hier ein ganzes Volk seine heidnischen Ängste und die schwere Last einer langen
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