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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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verdichtet sich die Spekulation: Sie, die Römer, werden es sein, die der Weltenrichter oder der Messias aus dem Land jagen wird. Und darauf, so sagen viele, gelte es sich vorzubereiten, ja man könne sogar durch eigenes Tun dazu beitragen, diesen Zeitpunkt immer näher an die Gegenwart zu rücken, dem erlösenden Eingreifen Gottes nachhelfen.
    Aber wie? Die einen versuchen es durch verschärftes Einhalten der Gesetze und göttlichen Gebote. Die anderen sondern sich ab vom normalen Volk, führen ein klösterlich-asketisches Leben und hoffen, die Endzeit durch Gebet herbeizuführen. Wieder anderen geht alles viel zu langsam, weshalb sie das Reich Gottes durch Gewalt gegen die Römer herbeizwingen möchten. Und natürlich treten allerlei selbsternannte Propheten und Messiasse auf und machen das Volk verrückt.
    In diese aufgeheizte Endzeitstimmung wird Jesus hineingeboren. Er wird kaum mehr als dreißig Jahre leben, höchstens drei Jahre Zeit haben, um öffentlich zu verkünden: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe. (Markus 1, 15) Die große Mehrheit seines Volkes glaubt ihm das so wenig, wie es den anderen Messiassen glaubt. Aber nach seinem Tod glauben ihm die, an die er nie gedacht hat: die Heiden. Durch deren Glauben kommt zwar nicht das Reich Gottes, sondern nur die Kirche. Allerdings: Rom geht tatsächlich unter. Die Herrscher, unter denen die Juden so gelitten hatten, verabschieden sich aus der Weltgeschichte. Aber kein Gott war vom Himmel gestiegen. Der Weltuntergang fiel aus. Stattdessen wächst aus dem Schoß des Judentums eine neue Religion, diese übernimmt das Erbe Roms und treibt die Geschichte weiter. Es ist eine seltsame Geschichte.
    Sie beginnt mit einem seltsamen Menschen namens Johannes. Er hatte ein Kleid von Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Lenden; und seine Speise waren Heuschrecken und wilder Honig (Matthäus 3, 4). An ihn erging das Wort Gottes (Lukas 3, 2). Er war also ein von Gott berufener Prophet. Womit er beauftragt wurde, was der Zweck seiner Berufung war, wird nicht explizit erzählt, aber implizit erfahren wir es aus dem Tun des Johannes, und außerdem ist der Auftrag der Propheten sowieso immer derselbe: Sie sollen das Volk der Juden daran erinnern, wozu es auf der Welt ist und was das für das Leben eines jeden bedeutet.
    Johannes ruft diese Erinnerung im kollektiven Gedächtnis seines Volkes wach, indem er sich an den Jordan begibt, an die Grenze zwischen der Wüste und dem fruchtbaren Land, an jene Stelle, an der das Volk Israel 1200 Jahre zuvor aus der Wüste kommend den Jordan durchquerte, um ins verheißene Land einzuziehen. Dieses in der fernen Vergangenheit liegende Ereignis will Johannes für sein Volk zurückholen in die Gegenwart. An die damals entstandene Tradition will er neu anknüpfen. Darum predigt er an dieser heiligen Stelle des Jordan.
    Johannes’ Rede und seine Erscheinung müssen eindrucksvoll gewesen sein, und das muss sich herumgesprochen haben im Volk, denn es machen sich tatsächlich viele Menschen auf den Weg zu ihm an den Jordan, um ihm zuzuhören. Das Thema seiner Predigt ist das Thema der damaligen Zeit, die Endzeit, der Gerichtstag Gottes. Doch seine Botschaft dazu ist neu, weicht ab von der bisherigen Lehre.
    Die alte Lehre lautete, grob vereinfacht: Jude sein und die religiösen Vorschriften befolgen genügt, um das ewige Heil zu erlangen. Man wird Mitglied des Volkes Gottes durch Geburt.
    Die neue Lehre des Johannes lautet: Es genügt nicht. Gott wird bald kommen, alle werden es noch erleben und dann überrascht sein, dass Gott nicht nur über die anderen Völker zu Gericht sitzt, sondern auch über sein eigenes Volk. Dieses hat nicht mehr den einst verheißenen exklusiven Anspruch auf das Reich Gottes, dieser Anspruch ist in den zurückliegenden 1200 Jahren verspielt worden: Ihr Otterngezücht! Wer hat euch gelehrt, dass ihr dem kommenden Zorngericht entrinnen sollt? (Matthäus 3, 7)
    Der Opferkult im Tempel, die genaue Befolgung der vorgeschriebenen Rituale und Zeremonien, die gewissenhafte Einhaltung von Reinheits- und Speisevorschriften, der rein formale Gehorsam gegen Gott, dieser ganze Glaube nach Vorschrift – das alles ist nur noch hohle Form, inhaltsleere Praxis, zur Sinnlosigkeit erstarrte Religion, denn sie hat keine Frucht hervorgebracht. Die Menschen in Israel betrügen einander, beuten sich gegenseitig aus, teilen nicht, belügen sich und andere. Der eitle Streit der Schriftgelehrten um die Buchstaben der

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