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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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Schrift, die Haarspaltereien der Hohepriester, die Selbstgerechtigkeit der Pharisäer, der Opportunismus der Sadduzäer und überhaupt alles, was dieses Volk im Alltag tut, steht in keiner Beziehung mehr zu seinem ursprünglichen Zweck. Die Riten, der Kult, die Opfer, die Vorschriften, das alles ist nur noch religiöser Zinnober, dem keine Realität mehr entspricht. Die Realität, wie sie nach Gottes Willen eigentlich sichtbar und erfahrbar gelebt werden sollte, ist in der jüdischen Religionspraxis nur noch symbolisch als Erinnerung vorhanden. Da war doch mal was … Außerhalb des Tempels, in der wirklichen Welt, geschieht das Gegenteil dessen, was in seinem Inneren beschworen wird.
    Von der alten Utopie – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Wohlstand für alle, es darf keinen Armen geben, keine Herrschaft über Menschen, keine Ausbeutung, keine Unterdrückung – war das Volk so weit entfernt wie eh und je. Es gab wenige Reiche und viele Arme. Zu den Reichen gehörten das herodianische Königshaus, die wohlhabenden Priesterfamilien in Jerusalem und wenige Großgrundbesitzer, die ihr Land an arme Kleinbauern verpachteten und diesen einen hohen Anteil am Ertrag abpressten. Zu den vielen Armen gehörten neben den abhängigen Pächtern und Kleinbauern die Winzer, Fischer, Schaf- und Ziegenhirten, kleine Handwerker, schließlich Tagelöhner und Bettler. Besonders verachtet von ihren jüdischen Landsleuten waren die Zöllner, weil sie im Dienst der verhassten römischen Besatzungsmacht standen, für diese Steuern, Abgaben, Zölle eintrieben und einen Teil für sich selbst abzweigten.
    Deshalb predigt Johannes am Jordan: Israel hat 1200 Jahre Zeit gehabt, aber diese Zeit nicht genutzt. Darum steht ihm nun Gottes Strafgericht bevor. Die ererbte Zugehörigkeit zum Gottesvolk zählt nicht mehr. Sie muss neu erworben werden. Durch Umkehr und Buße. So in etwa lautet der Inhalt der Bußpredigt Johannes des Täufers. «Täufer» wird er genannt, weil er die Bußwilligen mit dem Kopf ins Wasser des Jordan taucht, um ihre Umkehr durch ein äußeres Zeichen zu besiegeln. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Variante der damals üblichen rituellen Waschungen, sondern um etwas Neues in Israel. Die Taufe hat es vor Johannes nicht gegeben.
    Bevor Johannes die Leute tauft, fordert er sie auf, ihre Sünden zu bekennen, zu beichten. Auch das ist neu. Traditionell gab es bis dahin nur allgemein-formelhafte Bekenntnisse. Nun soll jeder Einzelne seine durch Geburt erworbene Zugehörigkeit zum Volk Gottes durch eine eigene Entscheidung erst wirklich herbeiführen und endgültig besiegeln. Damit aber, mit dieser wohlüberlegten Entscheidung, muss auch die Abkehr von seiner bisherigen sündigen Existenz einhergehen und ein bewusster Aufbruch zu einem neuen, von Grund auf veränderten Leben erfolgen.
    Das Eintauchen des Kopfes in das Wasser des Jordan versinnbildlicht diesen Vorgang. Johannes benutzt die doppelte Symbolik des Wassers: In der todbringenden Flut soll der alte sündige Mensch sterben. Zugleich aber soll der vom Schmutz der Vergangenheit rein gewaschene Mensch nach dem Auftauchen als wiedergeborener neuer Mensch dem lebenspendenden Wasser entsteigen und unbelastet und frei noch einmal von vorn beginnen können. Luther wird viele Jahrhunderte später sagen: Wir müssen täglich aufs Neue den alten Adam in uns ersäufen.
    Irgendwann muss auch Jesus von Johannes gehört und sich zu ihm begeben haben. Auch er lässt sich taufen, und dieser Akt gilt vielen Theologen als historisch besonders gut gesichert, denn für die Evangelisten der späteren Zeit stellte diese Taufe einen heiklen Punkt dar, den sie lieber elegant umschifft, also verschwiegen hätten. Da es aber offenbar fest verbürgt war, dass Jesus sich taufen ließ, konnte man das Faktum nicht unterschlagen.
    Zwei Probleme hat diese Tatsache den Evangelisten aufgebürdet. Erstens war Jesus für sie der Größere und Johannes der Kleinere. Wie kann der Rangniedrigere den Ranghöheren taufen? Hätte es nicht umgekehrt sein müssen? Und zweitens war doch der von einer Jungfrau geborene Sohn Gottes ein Mensch ohne Sünde. Was sollte er beichten? Wieso ließ er sich überhaupt taufen? Er hatte eine Umkehr doch gar nicht nötig. Die Evangelisten mussten einen hohen theologischen Aufwand betreiben, um die beiden Probleme zu lösen.
    Als Erstes lassen sie sehr geschickt Johannes selbst die Sache thematisieren. Noch bevor Jesus überhaupt bei ihm erscheint, kündigt er dessen

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