Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)
UND SEINE ANHÄNGER
Wie es bei Jesu Taufe wirklich zugegangen ist, wissen wir nicht. Das mit der Taube und der göttlichen Stimme aus dem sich öffnenden Himmel ist antike Mythologie. Wahrscheinlich ist Jesus von Johannes einfach getauft worden wie jeder andere auch. Möglicherweise hat der Mensch Jesus sogar ein Sündenbekenntnis abgelegt.
Die Theologen vermuten, dass Johannes für den jungen Jesus eine Art Lehrmeister gewesen ist und Jesus sich zunächst der Täuferbewegung angeschlossen, also eine Zeit lang im Dunstkreis des Johannes gelebt hat. Aber sicher ist das nicht.
Wir wissen überhaupt wenig über das wirkliche Leben des Jesus. Einigermaßen belegt scheint zu sein, dass er in Nazareth in Galiläa aufwuchs, dort möglicherweise von seinem Vater das Zimmermannshandwerk erlernte und eine normale jüdische Erziehung genoss. Aber als erwachsener Mann verlässt er seine Familie und seinen Heimatort, begibt sich an den Jordan, lässt sich von Johannes taufen und schließt sich dessen Täuferbewegung an.
Jesus kannte das harte Los der kleinen Bauern und Handwerker in Galiläa. Sie mussten den sogenannten Zehnten entrichten, das heißt den zehnten Teil ihrer gesamten landwirtschaftlichen Erzeugnisse an die Priesterschaft des Tempels von Jerusalem abgeben. Dazu kamen noch die Pacht an den Grundbesitzer, die Steuer für den Kaiser und die Tempelsteuer. Letztere diente dem unter König Herodes begonnenen Neubau und dem kostspieligen Tempelbetrieb. Dass ein frommer Jude für den Tempel und die Priester aufkam, das ging ja noch, aber sich auch noch für den heidnischen Kaiser im fernen Rom plagen? Das tat weh.
Auch deshalb wuchs die Sehnsucht nach Erlösung von der Fron, nach Erlösung von den Römern, nach einer wunderbaren Rettungstat Gottes, wie damals in Ägypten. Wird dieses Leben unter der Knute fremder Mächte denn irgendwann einmal ein Ende haben? Und wenn ja, wann? Kann der Mensch als Einzelner oder kann das Judentum als Gesamtheit irgendetwas dazu beitragen, dass Gott sich zum Eingreifen entschließt?
Das ist das Thema des Johannes. Es ist das Thema der Priester, der Mönche, der Schriftgelehrten, und es ist das Thema des Volkes. Etwas Neues liegt in der Luft, das spüren alle. Aber worin besteht es, wie ist es zu erkennen?
Das kommende Neue wird auch zum Thema des galiläischen Wanderpredigers Jesus. Als Schüler des Johannes setzt er dessen Buß- und Gerichtspredigt fort, nachdem Johannes von König Herodes Antipas hingerichtet wurde. Die Gründe für diese Hinrichtung kennen wir nicht, aber wortgewaltige Prediger wie Johannes waren immer eine potenzielle Gefahr für opportunistische, mit der Besatzungsmacht kollaborierende Vasallen des römischen Kaisers. Denn solche Redner konnten das Volk aufwiegeln und den etablierten Mächten samt ihren Privilegien gefährlich werden. Die Herrscher und Privilegierten aller Zeiten wollen aber vor allem immer nur eins: Ruhe.
Jesus spricht voller Hochachtung von seinem Lehrer. Seine Botschaft deckt sich mit der des Johannes. Tut Buße; denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! (Matthäus 4, 17) Das unterscheidet sich noch nicht wesentlich von dem, was andere, zum Beispiel die Essener, lehren. Auch diese praktizieren eine Art Umkehr, indem sie in klösterlicher Abgeschiedenheit mit heiligem Eifer versuchen, die 613 religiösen Vorschriften des Judentums besonders gewissenhaft zu befolgen. Jesus’ Weg aber ist ein anderer, und in ihm liegt der Keim des Neuen, der sich nun während der nächsten zwei, drei Jahre entfalten wird. Anfänglich ist das kaum zu erkennen, aber aus der Rückschau erschließt sich, dass alles Spätere schon von Beginn an da war, wobei man allerdings nicht genau weiß, ob es sich tatsächlich so verhalten hat oder ob die Evangelisten theologisch konstruktiv nachgeholfen haben.
Nach seiner Taufe und den vierzig Tagen in der Wüste kehrt Jesus in seine Heimat Galiläa zurück, wo er die zwölf Jünger beruft und öffentlich die Botschaft vom Reich Gottes verkündet. Nach damaligem Brauch hatte ein Rabbi fünf Schüler. Jesus beruft zwölf Jünger und dokumentiert damit: Ich bin kein Rabbi. Und ihr, meine Jünger, seid nicht meine Schüler. Rabbinenschüler suchen sich ihre Lehrer selbst aus, wechseln sie auch, um andere Lehrmeinungen zu hören. Die Jünger aber werden berufen, erwählt. Rabbinenschüler bedienen ihre Lehrer, sind wie Hausknechte. Jesus pflegt mit seinen Jüngern die Tischgemeinschaft und versteht sich als Diener seiner
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