Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)
Kommen bereits an, auch auf seine Messiaswürde spielt er an, und damit ist es Johannes selbst, der die christliche Hierarchie bestätigt: Ich taufe euch mit Wasser zur Buße; der aber nach mir kommt, ist stärker als ich, sodass ich nicht gut genug bin, ihm die Schuhe zu tragen; der wird euch im heiligen Geist und mit Feuer taufen . (Matthäus 3, 11)
Dann tritt das Vorhergesagte ein. Jesus ist da, will sich taufen lassen, und Johannes stellt klar, wie die Rangordnung ist: Ich habe nötig, von dir getauft zu werden, und du kommst zu mir? Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt zu; denn also gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen! Da ließ er es ihm zu. (Matthäus 3, 14–15)
Von einem Sündenbekenntnis ist nicht die Rede. Stattdessen bricht der Himmel auf, als Jesus aus dem Wasser steigt, und von dort kommt der Geist Gottes herab wie eine Taube, und eine Stimme spricht: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe! (Matthäus 3, 17)
Damit spielen die Evangelisten auf jene Stelle bei Jesaja an, die das Erscheinen des Messias prophezeit: Siehe, das ist mein Knecht, auf den ich mich verlassen kann, mein Auserwählter, an welchem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt; er wird das Recht zu den Völkern hinaustragen . (Jesaja 42, 1)
Damit könnten die Evangelisten es eigentlich bewenden lassen, denn auf diese Weise haben sie die zwei Probleme im Prinzip gelöst. Aber Matthäus und Lukas genügt das noch nicht. Ihnen ist sehr daran gelegen, Jesu Verwurzelung im Judentum und dessen Gottessohnschaft zu beweisen und damit das Alte Testament fortzuschreiben. Darum beginnt Matthäus sein Evangelium mit einem Stammbaum Jesu, der ihn als Nachkomme von Abraham und David ausweist. Dem folgt, in aller Kürze, die Geburtsgeschichte, und dann kommt schon, im dritten Kapitel, die Episode mit Johannes dem Täufer. Lukas erzählt die Geburtsgeschichte ausführlicher, aber auch er kommt im dritten Kapitel zur Sache, und das heißt zu Johannes und zur Taufe. Und gleich anschließend folgt bei ihm ein Stammbaum Jesu. Diesmal geht er sogar bis auf Adam zurück.
Danach berichten die Evangelisten, dass Jesus für vierzig Tage in die Wüste geht, um zu fasten. Dort begegnet er seinem Versucher, der ihm einen faustischen Pakt vorschlägt und ihm Macht, Besitz, Reichtum und Wohlstand verspricht. Aber Jesus schlägt den Pakt aus, weil er den Preis erkennt, den der Versucher wohlweislich verschweigt. Dieser Preis wäre Jesus selbst gewesen. Seine Seele, seine Persönlichkeit hätte er an den Teufel verkaufen müssen. Doch Jesus hat sich bei seiner Taufe schon einem anderen ausgeliefert, und diese Taufe wirkt wie eine Schutzimpfung. Sie hat ihn immunisiert gegen die Einflüsterungen des Versuchers, darum kann er jetzt mit großer Souveränität sagen: Weiche von mir, Satan. Denn es steht geschrieben: Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen! (Matthäus 4, 10)
Mit seiner Aktion am Jordan, der Grenze zur Wüste, hatte Johannes die Wüstensituation der aus Ägypten geflohenen Israeliten symbolisch in die Gegenwart zurückgeholt, um an den Gründungsmythos zu erinnern. Jesus wiederholt das nun mit seinem Gang in die Wüste. Die vierzig Tage Wüstenaufenthalt erinnern an die vierzig Gründerjahre in der Wüste. Wie damals das Volk Israel sich von allen falschen Göttern lossagte und allen weltlichen Mächten den Gehorsam aufkündigte, um sich an den einzig wahren und wirklichen Gott zu binden, so tut es jetzt auch Jesus in der Wüste. «Back to the roots» lautet die Botschaft von Jesus wie Johannes. Zurück zu den Wurzeln, um noch einmal von vorn zu beginnen, diesmal aber richtig. Und diesmal unter Führung eines Mannes, welcher der Sohn Gottes ist und von diesem selbst zu den Menschen geschickt wurde.
Die Evangelisten sagen damit: Leute, alle mal herhören. Die Bedeutung dieses Jesus kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Seine Geburt, seine Taufe, sein Leben und Sterben sind ein weltgeschichtliches Ereignis, ja genau genommen sind sie das größte geschichtliche Ereignis überhaupt.
Wenn man bedenkt, dass dies im ersten Jahrhundert nach Christus geschrieben wurde und dass dieser Christus nur wenige Jahrzehnte zuvor einen schändlichen Tod als hingerichteter Verbrecher erlitten hatte, war das eine sehr kühne These. Aber zwei Jahrtausende später können wir nicht umhin, den Evangelisten zuzugestehen: Sie lagen nicht ganz falsch damit.
DER JUDE JESUS
Weitere Kostenlose Bücher