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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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das dürfte eher untertrieben sein, denn hier handelte es sich um ein Kraftwerk, dessen Leistung sich im Verlauf weniger Jahrhunderte unaufhörlich steigerte und das Energiereserven bildete, die für zweitausend Jahre christliche Geschichte reichten. Noch heute zehrt das Christentum von den damals angelegten Vorräten.
    Wir wissen nicht, wie viele Mitglieder die erste Keimzelle dieses Kraftwerks hatte. Zu Beginn waren sie wohl eine kleine unbedeutende Minderheit in Jerusalem, jedoch eine, die stark genug war, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen, führende Kreise der Stadt kräftig zu ärgern und sofort mit der Obrigkeit in Konflikt zu geraten. Stress mit den Behörden, Zusammenstöße mit dem einen oder anderen Würdenträger, Auseinandersetzungen mit diesem oder jenem erlauchten Gremium, Schikanen, Druck von oben, Verspottung durch Intellektuelle, Einspruch von den Juden, Widerspruch von den Heiden – solche Erfahrungen gehören ab jetzt für die nächsten drei Jahrhunderte zum Alltag der Christen. Immer wieder wurden aus der Jerusalemer Gemeinde einzelne Apostel oder alle zusammen vor den Hohen Rat geladen. Auch Stephanus, ein neues charismatisches Mitglied der Gemeinde, wurde herbeizitiert und sagte den Mitgliedern des Rates mutig ins Gesicht: Am Körper seid ihr beschnitten, aber euer Herz ist unbeschnitten, und eure Ohren sind verschlossen für Gottes Botschaft! Ständig widersetzt ihr euch dem Geist Gottes. (Apostelgeschichte 7, 51)
    Aufbegehren gegen die Obrigkeit bleibt selten unbestraft. Über Stephanus werden verleumderische Gerüchte gestreut, es kommt zur Anklage, falsche Zeugen sagen gegen ihn aus, und er wird gesteinigt. Er ist der erste christliche Märtyrer. Die Aufsicht über diese vorschriftsmäßige Steinigung hatte ein Mann namens Saulus geführt, ein Mann, von dem die Welt noch hören sollte.
    Die Jerusalemer Urgemeinde verkündete Jesus als den Messias. Das allein genügte schon, um für Aufruhr zu sorgen, nicht nur bei den Oberen, sondern auch im normalen Volk. Viele Juden betrachteten das als Verhöhnung ihres Glaubens, denn sie bezogen ihre Vorstellungen über den Messias aus den alten Texten ihrer Propheten. Darin wird das Kommen des Messias spektakulär geschildert. Das Krumme soll gerade werden, das Gerade krumm. Berge sollen zu Tälern werden, Täler sich zu Bergen erheben. Die sich für weise halten, werden als Narren entlarvt, und die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht (Jesaja 40, 4).
    Weltumstürzendes wurde rund um Jerusalem erwartet, damals, als Kaiser Tiberius in Rom regierte. Aber was kam, war nur ein jüdischer Wanderprediger aus Galiläa, noch dazu einer, der relativ wenig auffiel, Sohn eines Zimmermanns, wohnhaft in Nazareth. Von Rom aus betrachtet, war schon Jerusalem tiefste Provinz. Von Jerusalem aus betrachtet, waren Nazareth und Galiläa tiefe Provinz, und Galiläa war außerdem auch noch ein mit Heiden durchsetztes, also nicht mehr ganz reines Gebiet. Von dort, statt aus dem Himmel, sollte der Messias kommen?
    Prediger des anbrechenden Reiches Gottes, Messias-Propheten, Mönche und wandernde Verkünder des nahenden Weltendes gab es damals viele rund um Jerusalem und darüber hinaus. Die meisten haben sich exaltierter benommen als Jesus, waren spektakulärer gekleidet, haben aufsehenerregendere Dinge erzählt und auffälligere Schauplätze für ihr Auftreten gewählt, die Wüste, den Jordan, den Tempel. Jesus hatte eine starke Konkurrenz. Von dieser wissen wir heute nichts mehr. Jesus allein blieb als Messias übrig, ausgerechnet einer, der den schändlichsten Tod starb, den man sich denken konnte, ausgerechnet einer, der dem Bild, das man sich von einem Messias geschnitzt hatte, in keiner Weise entsprach.
    Und wir wissen bis heute nicht sicher, ob er sich eigentlich selbst als Messias betrachtet hatte. Die Evangelien bleiben in dieser Frage seltsam unbestimmt, und wo sie dezidiert sagen, Jesus sei sich von Anfang an seiner Messias-Würde bewusst gewesen, habe diese zunächst geheim gehalten und dann aber öffentlich gemacht, wissen wir nicht, ob es wirklich so war oder ob das nachträglich in den Gemeinden erzählt und schließlich von den Evangelisten entsprechend festgeschrieben wurde. Gewiss, der Hohe Rat behauptete gegenüber Pontius Pilatus, Jesus habe sich als Messias bekannt, aber der Hohe Rat wollte Jesus loswerden und brauchte einen Anklagepunkt, der die Todesstrafe rechtfertigte.
    Mit Gewissheit können wir daher lediglich sagen: Eigentlich warb Jesus

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