Das Cottage im Wald
zubereitet. Als Carin die Küche betrat, ließ er den Blick anerkennend über ihre schlanke Figur gleiten. “Na endlich, ich wollte dich schon holen.”
“Ich habe genau zehneinhalb Minuten gebraucht. Gutes Timing, nicht? Soll ich den Tisch decken?”
“Dir ist wohl jedes Mittel recht, um mir aus dem Weg zu gehen”, sagte Sean brummig. “Hier.” Er drückte Carin ein Glas Wein in die Hand und schob sie auf einen Stuhl. “Setz dich hin, und mach ein freundliches Gesicht. Der Tisch kann warten. Wie lange warst du eigentlich mit diesem Typ zusammen?”
Überrascht über den abrupten Themenwechsel, trank Carin schnell einen Schluck Wein. Offensichtlich hatte Sean über Karl nachgedacht, während sie geduscht hatte. Galt das Interesse an ihrer Zeit in London in Wirklichkeit nur ihrer Verbindung mit Karl? “Ich wüsste nicht, was dich das angeht”, antwortete sie spitz.
“Da er dich so tief verletzt hat, warst du wohl ziemlich lange mit ihm zusammen?”
Carin zuckte die Schultern. “Eigentlich nicht. Sechs Monate vielleicht, wenn’s hochkommt.”
“Hast du mit ihm geschlafen?”
Carin merkte, dass sie rot wurde. “Ja – aber nur, weil ich dachte, wir würden heiraten”, fügte sie schnell hinzu. “Ich gehöre nicht zu den Mädchen, die mit jedem gleich ins Bett springen. Und wenn ich es das nächste Mal tue, dann nur mit meinem Ehemann, darauf kannst du Gift nehmen.”
“Wenn dich ein Mann benutzt hat, dann war es Karl.”
“Für mich sind alle Männer gleich.”
Eine Weile herrschte unangenehmes Schweigen. Dann lächelte Sean wieder und wechselte das Thema. “Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie du auf die Idee kamst, es könnte dir gefallen, als Sekretärin in einer Großstadt zu arbeiten, wo du all die Jahre vorher auf dem Land verbracht hast. Wie hast du es eigentlich so lange in London ausgehalten? Wie viele Jahre, sagtest du, warst du dort?”
“Vier.”
“Und nun willst du deinen Beruf an den Nagel hängen, um mit deinem Bruder hier auf dem Reiterhof zu leben?”
“Na ja, das hatte ich ursprünglich vor, aber da John nun Liz hat, bin ich mir nicht mehr so sicher. Sie haben sogar schon von Verlobung gesprochen. Wenn sie erst einmal verheiratet sind, stehe ich ihnen natürlich nur im Weg.”
“Da könntest du recht haben”, meinte Sean sarkastisch. “Noch Wein?”
Nachdem er Carins Glas nachgefüllt hatte, schwiegen beide, und jeder hing seinen Gedanken nach. Carin fiel es schwer, sich vorzustellen, dass Sean auch ganz anders sein konnte. Wie aufopferungsvoll er sich jedoch um seine Schwester gekümmert hatte, zeigte, dass er im Grunde ein sehr warmherziger Mensch war. Allerdings hatte er sich ihr, Carin, bisher noch nicht von dieser Seite gezeigt.
Carin nippte erneut an ihrem Glas, und plötzlich merkte sie, wie ihr der Wein zu Kopf stieg. Diesmal musste sie vorsichtig sein, denn sie wusste, wie heftig sie auf Seans Zärtlichkeiten reagierte, wenn sie zu viel getrunken hatte. Entschlossen stellte sie das Glas auf den Tisch und schob es weit von sich.
Sean hatte sie die ganze Zeit über beobachtet. “Wovor hast du Angst, Carin? Dass du zu viel trinken und dann alle Hemmungen verlieren könntest? Da kann ich mir Schlimmeres denken.”
“Mir ist es lieber, ich bleibe nüchtern”, gab Carin bissig zurück. “Ich habe nämlich keine Lust, morgen früh aufzuwachen und festzustellen, dass ich in deinem Bett liege.”
“Hast du etwa geglaubt, ich wollte dich absichtlich betrunken machen?”
“Ja, natürlich. Was denn sonst?”
“Du verstehst nichts, Carin, überhaupt nichts.” In Seans Augen blitzte Zorn auf. “Eine betrunkene Frau ist nicht gerade das, wovon ich träume.”
“Sich darüber zu unterhalten ist völlig idiotisch. Ich gehe jetzt auf mein Zimmer”, erklärte Carin gereizt. “Dein Essen kannst du dir an den Hut stecken, ich habe keinen Appetit mehr.”
Sie stand auf und wollte gehen, doch Sean packte sie am Handgelenk.
“Lass mich los, du tust mir weh!”
Sofort gab er sie frei, ließ sie jedoch nicht vorbei. “Du bleibst hier und isst mit mir, ob es dir passt oder nicht.”
Da Carin klar war, dass Sean seinen Willen so oder so durchsetzen würde, gab sie schließlich nach. “Okay, du hast gewonnen. Ich gehe den Tisch decken.”
Carin legte eine weiße Leinentischdecke und dazu passende, ebenfalls weiße Servietten auf den Tisch. Sie seufzte wehmütig auf. Wie gern hätte sie auch noch Kerzen darauf gestellt, um dem Abend eine romantische
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