Das Cottage im Wald
behindert war. Sie liebte nur das Schöne, und alles um sie herum musste perfekt sein. Sie war selbst eine schöne Frau. Als Emily dann schließlich kein Baby mehr war, man sich aber immer noch ständig um sie kümmern musste, wollte meine Mutter sie in ein Heim geben. Mein Vater wollte davon nichts wissen, und so mussten wir drei uns um Emily kümmern.”
“Heißt das, deine Mutter hat ihr eigenes Kind verstoßen?”, fragte Carin erschüttert.
Sean nickte und presste verbittert die Lippen zusammen. “Im Laufe der Jahre ging meine Mutter immer öfter aus, bis sie sich schließlich fast überhaupt nicht mehr zu Hause blicken ließ. Zuerst wusste ich nicht, dass sie sich mit anderen Männern traf. Als ich es dann erfuhr, dachte ich, mich trifft der Schlag.”
“Oh Sean.” Carin wusste nicht, was sie sagen sollte.
“Ich brauche dein Mitleid nicht”, entgegnete Sean jedoch scharf.
“Was ist dann mit deiner Schwester geschehen?”, fragte Carin sanft.
“Als Bruce älter wurde, konnte er die ständigen Spannungen zwischen unseren Eltern nicht länger ertragen und zog aus. Kurz darauf wurden meine Eltern geschieden, und mein Vater und ich mussten allein für Emily sorgen. Seitdem habe ich mich oft gefragt, ob es richtig war, Emily zu Hause zu behalten. Mein Vater gab seine Arbeit ganz für sie auf, und ich ging ihretwegen am Abend oder an den Wochenenden kaum noch aus. Aber Vater verkraftete das alles nicht. Eines Tages kam ich nach Hause … und er war tot. Die Belastung war zu groß gewesen, er hatte einen Herzanfall erlitten.”
Carin schlug entsetzt eine Hand vor den Mund.
“Als Bruce zur Beerdigung kam, brachte er ein Mädchen mit. Er sagte, er wolle sie heiraten. Es war Stephanie. Eine Frau wie sie war mir noch nie zuvor begegnet. Sie kümmerte sich rührend um Emily. Sie tat wirklich all das, was meine Mutter hätte tun sollen.”
Sean hielt einen Moment inne, bevor er weitersprach. “Die beiden blieben ein paar Tage bei uns, und als ich sah, wie liebevoll Stephanie mit Emily umging, wünschte ich mir sehnlichst, eine Frau wie sie zu finden. Eine Frau, die meine Schwester so akzeptieren könnte, wie ich es tat, und die mir helfen würde, sie zu betreuen. Dass Bruce wieder zurückkommen würde, war ausgeschlossen. Er hatte sich sein eigenes Leben aufgebaut, hatte seine Arbeit und seine Freunde, und es wäre nicht fair gewesen, von ihm zu verlangen, dass er das alles Emilys wegen aufgibt.”
Carin konnte nun gut verstehen, warum Sean Stephanie so sehr bewunderte. Sie war eine warmherzige, liebevolle und verantwortungsbewusste Frau, und er hätte sie bestimmt gebeten, seine Frau zu werden, wenn sie nicht schon Bruces Freundin gewesen wäre. Nicht nur Emilys wegen, nein, er hätte sich sicherlich in Stephanie verliebt.
“Als sie schließlich fort waren”, fuhr Sean fort, “stellte ich fest, dass ich mich unmöglich ganz allein und ohne fremde Hilfe um Emily kümmern konnte. Aber jemanden zu finden, der bereit war, ihr die Liebe zu geben, die sie brauchte, war alles andere als leicht. Die Leute, die ich danach einstellte, kümmerten sich lediglich um Emilys physische Belange. Ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte, und war mit den Nerven völlig am Ende. Schließlich musste ich mich um meine eigene Firma kümmern, eine Druckerei, die besser lief, als ich erwartet hatte. Um aber auf Dauer erfolgreich zu sein, musste ich viel Zeit in meine Arbeit investieren, und die fehlte mir dann bei Emily. Meine Situation schien ausweglos – bis ich Josie traf.”
Carin merkte Sean an, wie sehr die Erinnerungen ihn immer noch quälten. Sie wollte ihm sagen, dass er nicht weiterzusprechen brauchte, gleichzeitig aber bedeutete es ihr alles, die ganze Geschichte zu hören.
“Josie schien genau das zu sein, wonach ich mich gesehnt hatte”, sagte Sean, und ein verächtlicher Unterton schwang in seiner Stimme mit. “Sie war Stephanie sehr ähnlich, zumindest am Anfang. Josie liebte mich, war nett zu meiner Schwester, und ich liebte sie. Ich hätte nie ein Mädchen geheiratet, nur um eine Betreuung für Emily zu haben, nein – ich liebte Josie wirklich. Aber sobald wir verheiratet waren, änderte sie sich plötzlich.”
In Seans Augen lag ein gequälter Ausdruck, während er weitersprach: “Josie weigerte sich, in meinem Haus zu wohnen. Sie sagte, sie brauche ein anderes, ein neues Zuhause. Außerdem wollte sie nicht, dass Emily bei uns lebte. Wir hatten viel Streit deswegen, aber da ich Josie liebte,
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