Das Cottage im Wald
schlafend stellte? Es war schrecklich, dass sie ihm nur nahe sein konnte, wenn sie mit ihm schlief. Er wollte nur ihren Körper, und das tat unsagbar weh.
Carin hatte geglaubt, eine gut funktionierende sexuelle Beziehung sei genug für den Anfang. Doch sie hatte sich geirrt. Nichts wünschte sie sich sehnlicher, als mit Sean auch seelisch verbunden zu sein. Ehepartner sollten Freunde sein, einander nahe stehen und sich gegenseitig vertrauen. Carin wünschte sich so sehr, dass Sean sie an seiner Arbeit, seinen Problemen und an allen Dingen, die ihn bewegten, teilhaben ließ.
Erneut fiel sie in tiefen Schlaf, und als sie die Augen wieder öffnete, schien die Sonne hell ins Zimmer. Der Platz neben ihr war leer. Carin warf einen Blick auf die Uhr. Es war bereits neun, also konnte sie Sean keinen Vorwurf machen, dass er schon gegangen war. Zumindest aber hätte er sie wecken und zum Abschied küssen können. Nur ein paar liebevolle Worte am Morgen, und sie wäre glücklich gewesen.
In der Küche fand sie einen Zettel auf dem Tisch. Freudestrahlend nahm sie ihn auf und las: “Carin, Mrs. Blake hat Probleme mit dem Rücken und kann ein paar Tage nicht kommen. M.”
Unpersönlicher hätte es nicht sein können. Kein liebes Wort, nichts, das darauf hindeutete, wie schön und erotisch die letzte Nacht gewesen war.
Wut und bittere Enttäuschung stiegen in Carin auf, und sie schlug zornig mit der Faust auf den Tisch. Wie konnte Sean es nur wagen, sie so zu behandeln? Und dann sollte sie ihm auch noch um den Hals fallen, wenn er spätabends nach Hause kam und Lust auf Sex verspürte! Wie demütigend das war. Oh nein, nicht mit mir, dachte Carin.
Doch dann ließ sie sich resigniert auf den Stuhl sinken. Es hatte keinen Sinn, sich etwas vorzumachen. Sean brauchte sie nur anzusehen, und ihr Widerstand würde dahinschmelzen wie Eis in der Sonne. Sie verstand sich selbst nicht mehr. War sie denn total verrückt geworden?
Nachdenklich brühte sie sich frischen Tee auf und trank ihn langsam aus. Sie würde die Hausarbeit heute selbst erledigen, das Abendessen kochen und sich um die Wäsche kümmern. Vielleicht war Sean heute Abend besser gelaunt, und sie könnte sich vorstellen, dass sie eine ganz normale Ehe führten.
Da klingelte das Telefon, und sie nahm den Hörer ab. “Hi, Carin!”, ertönte Stephanies muntere Stimme. “Also, ich weiß nicht, ob ich mit dir schimpfen oder dir gratulieren soll.”
“Ach, du weißt es schon?”
“Gerade vor ein paar Minuten habe ich von eurer Hochzeit erfahren. Von einem Bekannten, der zufällig in Seans Firma arbeitet. Dann habe ich natürlich sofort diesen Nichtsnutz von meinem Schwager angerufen und ihm gründlich den Kopf gewaschen. Und Bruce – was glaubst du, wie der toben wird, wenn er erfährt, dass sein eigener Bruder in aller Heimlichkeit wieder geheiratet hat, ohne ihm etwas davon zu sagen. Ich hatte keine Ahnung, dass da was war zwischen euch beiden. Ihr habt euch ja nie etwas anmerken lassen, wenn ich dabei war.”
“Zu dem Zeitpunkt wussten wir selbst noch nicht, was wir füreinander empfanden”, entschuldigte sich Carin.
“Aber danach ging alles umso schneller, nicht wahr? Wie romantisch”, schwärmte Stephanie. “Sag mal, Carin, wie wär’s denn, wenn ich auf einen Sprung vorbeikäme? Du musst doch schrecklich einsam sein, jetzt, wo Sean wieder arbeitet. Darüber habe ich ihm übrigens auch meine Meinung gesagt.”
“O ja, das wäre schön”, stimmte Carin erfreut zu und fragte sich im Stillen, wie Sean wohl auf Stephanies Moralpredigt reagiert haben mochte. Wahrscheinlich hatte er gar nichts dagegen gesagt. Er hatte Stephanie viel zu gern, als dass er ihr etwas übelnehmen würde. “Aber musst du denn nicht arbeiten?”, erkundigte Carin sich.
“Jetzt nicht mehr”, verriet Stephanie aufgeregt. “Ich bin schwanger, Carin. Zwar erst im vierten Monat, aber ich habe trotzdem beschlossen, meinen Job vorerst aufzugeben. Da kann ich mich so richtig schonen.”
“Oh, Stephanie, das ist wundervoll!”
Ein fröhliches Lachen ertönte am anderen Ende der Leitung. “Wir freuen uns auch riesig. Ich bin bei dir, so schnell ich kann, Carin. Übrigens, wie geht es denn deinem Bruder?”
“Er ist schon fast wieder gesund.” Carin hatte John am vorigen Abend angerufen, und er hatte einen so glücklichen Eindruck gemacht, dass Carin fast neidisch auf ihn geworden war. Jeder schien glücklich zu sein, nur sie selbst war es nicht.
Carin führte Stephanie ins
Weitere Kostenlose Bücher