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Das Crusenriff

Das Crusenriff

Titel: Das Crusenriff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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nun, wie schwer es ist, gegen sie zu bestehen. Wie viele sind es? Vierzig, fünfzig gar?«
    »Vielleicht fünfzig«, nickte Yurkas.
    »Dann wäre es Wahnsinn, hinauszugehen…«
    »Es wäre Wahnsinn, nichts zu unternehmen. Die Shrouks und die Giftwolke sind der Königscruse schon bedrohlich nahe.«
    Lähmendes Entsetzen folgte den Worten des Jägers. Die Königscruse, das war die größte von allen, die Mutter sämtlicher Kolonien. Es stand zu befürchten, daß sie starb, wenn die Wolke aus giftigen Dämpfen sie einhüllte. Und mit ihr würde das Riff absterben, denn die Crusen waren untereinander durch Lebensstränge verbunden. Ohne die Königscruse konnte es kein Leben geben.
    »Uns wurde die Entscheidung abgenommen«, sagte Yurkas und stampfte hart mit seinen Hufen auf.
    »Mag sein, daß sie weiterziehen.«
    Das war eine vage Hoffnung, an die der alte Mann selbst nicht glauben konnte. In diesem Augenblick fühlte er weder Verbitterung noch Haß, lediglich eine nie gekannte Müdigkeit, die seine Glieder taub werden ließ und schwer. Es bereitete ihm unsagbare Mühe, den Jägern durch den engen Höhlenausgang zu folgen.
    Ioban erschrak zutiefst. Die Sicht war klar und reichte weiter als jemals zuvor. Aber nicht das ließ seinen Herzschlag stocken, sondern die überwältigende, üppige Blütenpracht, in der das Riff vor ihm lag. Ein Meer aus Farben erstreckte sich von Horizont zu Horizont.
    »Nein!« stammelte er.
    Sogar die abgestorbene Cruse, auf der er stand, zeigte nicht mehr das eintönige, gewohnte Grau. Mit beiden Händen riß er die Knospen und Blüten aus, die auf der rauhen Schale wurzelten.
    Es mochten Tiere sein, deren unzählige haarfeine Nesselfäden in der sanften Strömung trieben und darauf warteten, daß Nahrung angeschwemmt wurde. Aber das interessierte ihn nicht. Manchmal hatte das Riff schon an einzelnen Stellen zu blühen begonnen.
    Dies hier war aber anders, von überwältigender, hinreißender Schönheit, doch zugleich den Keim des Vergehens in sich tragend. Gab es nicht viele Pflanzen, die kurz vor ihrem Tode zu einmaliger Pracht erblühten?
    Ioban fühlte eine nie gekannte Schwäche in sich aufsteigen. Wie Donnerhall dröhnte das Rauschen der Strömung in seinen Ohren. Er taumelte, hielt sich nur noch mühsam auf den Beinen.
    »Schlagt die Kämpfer des Bösen zurück, oder alles ist verloren«, sagte er verzweifelt.
*
    Der Überfall erfolgte so unvermutet und mit einer solchen Heftigkeit, daß selbst die Shrouks ihm hilflos gegenüberstanden. Aus verborgenen Spalten und Gängen im Fels brachen die Jäger hervor, und ihre Klingen zerteilten den Nebel.
    Zwei der häßlichen, dämonischen Kreaturen wurden verwundet, bevor ihre abgestumpften Gehirne überhaupt Zeit fanden zu begreifen, was geschah. Yurkas wußte, daß seine Jäger im offenen Kampf unterliegen mußten. Er befahl deshalb den Rückzug, kaum daß die ersten triumphierenden Schreie laut geworden waren.
    Vielleicht noch hundert Mannslängen trennten die Giftwolke, in der es wallte und brodelte, und in der mehr verborgen zu sein schien als nur Kämpfer der Dämonen, von der Königscruse. Die Jäger hatten einen flüchtigen Erfolg erzielt, das war alles. Zumindest wußten sie nun, daß die Shrouks nicht unbesiegbar waren, und das gab ihnen den Mut, ihr Riff zu verteidigen. Zu tief verwurzelt war in jedem von ihnen die Furcht vor allem Dämonischen.
    Der Lebensstrang der Königscruse, der an manchen Stellen bloß auf den Hängen lag, hatte zu zucken begonnen. Spürte das mächtige, mehr als sechshundert Schritte durchmessende, gepanzerte Wesen die nahe Gefahr? Längst waren die Hütten auf ihrer Schale verlassen.
    Die Shrouks trafen keinerlei Anstalten, die Angreifer zu verfolgen. Auf ihren wehenden Nebelschleiern schwebten sie über dem Grund der Schlucht.
    »… als wäre es ihre Aufgabe, die Wolke zu schützen«, bemerkte jemand.
    Yurkas nickte zögernd. Ähnliches war ihm ebenfalls in den Sinn gekommen. Was immer der schweflige Brodem verbarg, es bildete eine nicht zu unterschätzende Gefahr, denn allein der Gedanke daran verursachte eisige Schauder und ließ das unsagbar Böse ahnen, das mit ihm ins Crusenriff gekommen war.
    Unaufhaltsam näherte sich das Verderben der Königscruse. Unmenschliche Schreie hallten durch die Schlucht, und das Klirren von Waffen ließ die Felsen erbeben. Finsternis breitete sich aus, eine lichtlose Schwärze, die schon viele Crusen verschluckt hatte. Ähnlich mußte es sein, am Ende der Welt zu stehen

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