Das Dach kommt spaeter
Schupfnudeldiskussion vermutet hatte, nur Panik vor noch mehr Verantwortung? Denn die eigene Immobilie ist eine Entscheidung fürs Leben, so fräsen es uns die Bausparkassen und ihre willfährigen Helfershelfer immer wieder ein. Und wenn schon unbedingt Eigenheim, war es dann nicht vielleicht doch cleverer, selbst zu bauen, statt mitunserem Pygmäenbudget heruntergekommene Bruchbuden in der Diaspora zu kaufen? Und den Rest unseres Lebens mit niemals endenden Renovierungsarbeiten zu verbringen? Fragen, die sich vor mir auftürmten wie einst die Geschenkekartons bei unseren Türkeiurlauben.
Da ich inzwischen restlos verunsichert war, beschloss ich, meine Sorgen und Ängste offen auf den Frühstückstisch zu legen. »Ann-Marie«, begann ich vorsichtig und versuchte, ihre rechte Hand zärtlich zu mir herüberzuziehen.
»Murat, die Marmelade.«
»Marmelade?«
»Zu spät. Du hängst schon voll drin.«
Mist. Ausgerechnet heute hatte ich ein weißes Hemd mit langen Ärmeln angezogen, weil ich nach dem Frühstück zum Finanzamt wollte. Ständig schickte mir diese seltsame Behörde nämlich viel zu hohe Steuerbescheide. Ein Ärgernis, das ich in einem freundlich, aber bestimmt geführten Gespräch mit dem zuständigen Sachbearbeiter ein für alle Mal aus der Welt schaffen wollte. Bei solchen Diskussionen kommt es bekanntermaßen nicht zuletzt auf den ersten Eindruck an, und da war ein Konfitürenfleck am Ärmel kontraproduktiv. Ich stand auf, um mich umzuziehen, und ermahnte meine Liebesmaid im Gehen: »Warte kurz. Nicht abhauen. Ich muss unbedingt mit dir reden.«
»Mmmhh.«
Sie hatte mich bereits ausgeblendet, weil sie unserem Kleinen den Eierlöffel zu entwenden suchte, mit dem er im Stakkatorhythmus sowohl die Teekanne als auch unser Gehör malträtierte. Bei der Gelegenheit stellte ich fest, wie rund Ann-Maries Bauch bereits war. War sie nun im sechsten oder schon im siebten Monat? Vor lauter Stress begann ich, Detailfragen dieser Art aus dem Auge zu verlieren. Aber es musste ja auch Generalisten geben.
Leider bekam ich den Ärmel selbst mit Gallseife nicht richtig sauber, und ein kurzer Blick in den Kleiderschrank zeigte mir, dass der klägliche Rest an sauberer Oberbekleidung aus fünf T-Shirts mit für einen wichtigen Behördenbesuch unpassenden Aufdrucken bestand. Das konnte doch nicht wahr sein. Wieso hatte ich keine saubere Wäsche? War ich denn der Einzige, der in dieser Familie arbeitete? Bevor ich richtig aufdrehen konnte, fiel mir Ann-Maries runder Bauch ein, und ich schämte mich für meine egozentrischen Anwandlungen. Ob das Finanzamt heute oder ein paar Tage später über seine Unfähigkeit aufgeklärt wurde, machte unser Konto nicht fett. Und die Hemden konnte ja auch meine Mutter waschen. Also zog ich als alter Gesinnungs-Neuköllner das Shirt mit der »44« aus dem Schrank. 1000 Berlin 44 war die Neuköllner Postleitzahl meiner glücklichen Jugendzeit gewesen.
In der Küche herrschte himmlische Ruhe, meine Gattin hatte den Eierlöffel in Sicherheit gebracht. Mit der rechten Hand tätschelte sie unseren kleinen Wonneproppen, während sie mit der linken im Immobilienteil der Zeitung blätterte. War sie schon wieder auf der Jagd nach dem rustikalen Glück? Sie blickte nur kurz auf.
»Na, Vierundvierziger, weißt du, was die hier anbieten?«
»Du wirst es mir gleich sagen.«
»Haufenweise Resthöfe. Total günstig.«
»Rest-was?«, fragte ich, in der Hoffnung, mich verhört zu haben.
»Na, Resthöfe. Bauernhöfe!«
Ich fasste es nicht. Sollten wir jetzt unser Glück nicht nur in der Einöde, sondern auch noch in der Schweinemast suchen? Im Maisanbau? Im Biogemüsegarten?
»Ann-Marie!« Jetzt kochte der Ärger über die dreckigen Hemden doch wieder in mir hoch. »Ich kenn mich mit Naturnicht aus. Ich bin ein Stadtkind. Durch und durch! Wenn du glaubst, du hast jemanden geheiratet, der eine Eiche von einem Gänseblümchen unterscheiden kann, dann rat ich dir: Lass dich scheiden.«
»Murat, Schatz.« Sie hatte diesen Kulleraugenblick aufgesetzt, vor dem der Papa in mir jedes Mal kapitulierte. Und sie wusste es. »Entspann dich und setz dich erst einmal hin.«
Wie eine Marionette ließ ich mich von ihr an den Schnüren führen.
»Ich wollte es dir eigentlich gestern schon sagen. Aber da warst du so deprimiert wegen deiner komischen Mariendorfer Turnbude. Es gibt gute Neuigkeiten.«
»Wir ziehen in eine Mietwohnung?«
»Natürlich nicht.«
»Was dann?«
»Erinnerst du dich an Klaus und
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