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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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doch mal ne echte Perle Balina Baukunst. Oda? Sagen Se mal selbst.«
    Da Ann-Marie hartnäckig schwieg und der Rekordkrakeeler zum ersten Mal an diesem Nachmittag tatsächlich eine kurze Pause einlegte und eine Antwort zu erwarten schien, stammelte ich aus purer Höflichkeit: »O ja, äh, faszinierend. Das ist schon so ziemlich … fast … in etwa, wonach wir ungefähr gesucht haben ... Also so in die entfernte Richtung, circa auf jeden Fall.« Zum Lohn für diese feige Lüge erntete ich einen verächtlichen Seitenblick meiner Frau.
    »Sach ick doch«, posaunte Kosewitz stolz und stapfte über die bemoosten Waschbetonplatten des Vorgartens zur Eingangstür. Nachdem er ununterbrochen schwafelnd so ziemlich jeden seiner tausend Schlüssel ausprobiert hatte, schaffte er es endlich hinein. Mit wenig Enthusiasmus folgten wir ihm durch den Windfang, vorbei an der Gästetoilette und der Garderobe in das Wohnzimmer – eine schreckenerregende Gruft, deren Erbauer offensichtlich vertikal benachteiligt waren, denn die Zimmer waren höchstens 1,80 Meter hoch. Bankier von Feuchtleben hätte hier nur in der gefalteten Version leben können. Trotz Altweibersommer und niedriger Decken waren die Räume eiskalt. Was unserem Gebäudehändler ebenfalls aufgefallen war. »Jut, Herr Topas, de Ölheizung is momentan natürlich außa Betrieb.Aba keen Problem, bräuchte nur ma wieda ne kleene Inspektion, dit Schätzchen.«
    Ölheizung? Offensichtlich war der Kasten noch vor der großen Ölkrise in den Siebzigern aus dem Boden gestampft worden. Und dann war das durstige Teil auch noch defekt. Überzeugende Kaufargumente klangen anders.
    »Mit ’n paar neue Terpentin-Fensta kriejen Se de Heizkosten schnell in Griff, wa«, hatte Kosewitz im Wortumdrehen eine Antwort für meinen noch gar nicht erhobenen Einwand parat. Ich rechnete kurz zusammen: der Kaufpreis, das Maklersalär, die sicher sehr schwer zu bekommenden »Terpentin-Fenster« und die Reparatur der Heizung. Warum hatte ich mich eigentlich von meiner schönen Vision der Jugendstilvilla verabschiedet? Die wäre mit Sicherheit günstiger gewesen.
    Bis auf den tristen mausgrauen Fliesenboden war das Wohnzimmer übrigens rundum holzverkleidet; ebenso der Flur, die restlichen Zimmer und der Treppenabgang in den Keller. Der Vorbesitzer hatte unübersehbar eine Leidenschaft für Fichtenholz ausgelebt, gepaart mit einem zwanghaften Paneelfetisch. Beeindruckend war auch der Blick durch die kleinste Panoramascheibe der Welt, direkt in den noch mickrigeren Garten. Die Rasenfläche war so winzig, dass man sie auch im Sitzen hätte mähen können, ganz ohne aufzustehen. Die Küche dagegen, und das war nach allen Scheußlichkeiten die erste angenehme Überraschung, stellte einen echten Pluspunkt dar: ein Topdesignerstück, das wie neu aussah. Selbst meiner von der geballten Hässlichkeit des Hauses anscheinend paralysierten Frau zauberte der Anblick ein kurzes Lächeln ins Gesicht.
    In den restlichen Zimmern sah es aus, als wären die Bewohner von einem Erdbeben überrascht worden. Überall fanden sich Reste ihres Lebens verstreut, hier umgestürzteStehlampen, da Dampfbügeleisen und Nähmaschine, dort ein fleckiges Cordsofa in Giftgrün. Der Keller wiederum war mit gammligen Kisten voller Spielzeug vollgestopft. Das Haus war nicht nur ein Schandfleck der Architektur- und Einrichtungsgeschichte, sondern strahlte auch ein beängstigend schlechtes Karma aus. Empfehlenswert schien es bestenfalls für Psychopathen jeder Façon, deren Obsessionen vermutlich am besten in solch lichtlosen Höhlen gediehen. Eines aber konnte man sich in dem Maulwurfsloch auf keinen Fall vorstellen: ein glückliches, unbeschwertes Familienleben.
    Kosewitz störte sich nicht an unserem fehlenden Enthusiasmus. Er redete und redete. Born to schwätz. Inzwischen war er beim Thema Fassadendämmung und Heizkostenoptimierung angelangt. Offenkundig hielt er mich für einen orientalischen Drogenbaron, bei dem Geld keine Rolle spielte. Hin und wieder gibt es in langjährigen Partnerschaften ja diese magischen Momente, in denen ein kurzer Blickwechsel alles sagt – in diesem Fall: nichts wie weg!
    In unserem internen Duell »Wer findet die unmöglichste Behausung?« stand es nun zwar 1:1, doch so konnte es nicht weitergehen. Es galt, unser Konzept noch einmal zu überdenken. Ich beschloss, in Ruhe darüber zu schlafen.

6. Kapitel

Fundamentale Fragen
     
     
    Der hehre Vorsatz, Probleme erst einmal zu überschlafen, führt bei mir

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