Das Dach kommt spaeter
Levin!«
»Murat, du leidest an gestörter Wahrnehmung. Ich hab dir schon beim ersten Blick auf die Fotos gesagt, dass das Haus nichts taugt. Und wenn du schon unseren Etat ins Feld führst: Eben weil wir keine Millionen haben, werden wir ein wirklich schönes Anwesen nur außerhalb Berlins finden.«
»Ich lach mich tot. Hast du eine Vorstellung, was es kostet, einen alten Bauernhof flottzubekommen? Also so, dass man nach heutigem Standard einigermaßen zivilisiert darin leben kann? Und wer soll überhaupt die ganze Arbeit machen? Ist dir entfallen, dass dein lieber Mann einen Beruf hat, bei dem er fast zwei Drittel des Jahres auf Reisen ist? Davon abgesehen werden wir selbst in zehn Jahren noch kein Haus gefunden haben, das deinen verworrenen Ansprüchen genügt. Levin, es ist gut jetzt. Das tut Babi weh!«
»Verworrene Ansprüche? Nur weil ich ein paar konkrete Wünsche geäußert habe?«
»Konkrete Wünsche sind völlig in Ordnung. Die Frage ist, ob sie mit der geographischen Realität in Einklang zu bringen sind.«
»Geographische Realität? Wovon sprichst du eigentlich?«
»Ann-Marie! Ich will echt kein Spielverderber sein, aber sieh doch endlich ein, dass es in Berlin und näherer Umgebung kein windschiefes Kunterbunt-Häuschen mit Meerblick geben
kann.
«
»Sei doch nicht immer so negativ. Du hast noch nicht einmal
versucht,
eins zu finden.« Sie holte Luft, hielt dann jedoch inne. Vielleicht, um meine Information sacken zu lassen, die erst jetzt zu ihr durchzudringen schien. Vielleicht, um sich taktisch neu aufzustellen. Denn es folgte der nächste Anlauf. »Hör zu, wenn wir mit Klaus und Dörte zusammenziehen ...«
»Wir ziehen aber nicht mit Klaus und Dörte zusammen. Zumindest ICH ziehe nicht mit Klaus und Dörte zusammen. So weit kommt’s noch. Davon abgesehen ist Klaus Informatiker und hat selbst gesagt, dass er nicht mal ein Ikea-Regal zusammenschrauben kann, ohne dass ein Arzt danebensteht. Also würde die ganze Renovierung an mir kleben bleiben. Wach bitte auf, Freifrau von Häberle! Lassie, Fury und du, ihr seid bestimmt ein tolles Trio. Aber wie spricht Murat, der Hirte? Ich bin in eurem Bund nicht der Vierte! Levin, letzte Warnung!«
Meine Frau schnaubte nur verächtlich und torpedierte meine Erziehungsversuche: »Hau Babu ruhig auf die Finger. Er hat’s verdient.«
Wenn meine Argumente solch unselige, gewalttätige Allianzen zur Folge hatten, machte ich etwas falsch. Ich versuchte es auf etwas einfühlsamere Weise.
»Überleg doch mal, Liebste. Wenn ich auf Tour bin, sitzt du mit den Kindern mutterseelenallein mitten in der Pampa. Keine Läden, keine Kinos, keine Freundinnen in der Nähe. Im Sommer ist es dort vielleicht lustig. Aber im Winter ist es eiskalt, ihr könnt nicht raus und werdet womöglich eingeschneit. Eines Tages kriegst du den totalen Depri und willst nur noch weg. Und dann bekommen wir das teure Gemäuer nur mit horrendem Verlust verkauft. Levin, ich habe dich gewarnt!«
Ich riss dem Terroristen, der sich als mein Sohn ausgab,den Eierlöffel aus der Patschhand und warf ihn wutentbrannt Richtung Spüle. Unglücklicherweise saß meine Frau genau in der Flugbahn und bekam das Ding voll an die Stirn.
Ann-Marie blickte mich feindselig an, sagte jedoch nichts. Sofort kam wieder meine größte Schwäche zum Tragen: Ich kann Frauen nicht leiden sehen. Reuig gab ich nach. Zumindest ein wenig.
»Das heißt ja nicht, dass wir keine weiteren Objekte besichtigen können. Aber lass uns die Rahmenbedingungen klären: Keine Bauernhöfe! Kein Klaus Dörtebeker! Und keine Anwesen, die weiter als fünf Kilometer von Berlin entfernt sind.«
»Du bist derart daneben, Murat, dass es nur noch zum Lachen ist.«
Ihr wütender und komplett humorfreier Gesichtsausdruck strafte sie Lügen. Davon abgesehen hatte sie genug damit zu tun, ihren Sohn zu beruhigen, der seiner Waffe hinterherplärrte.
»Wenn du Hobbysultan glaubst, du kannst den Kalif Storch mimen: Vergiss es! Ich werde nicht nach deiner Pfeife tanzen. Und ich lasse mich erst recht nicht von dir erpressen. Aber sieh mal hier«, sie warf mir eine Mappe zu. »Dieses Exposé ist gestern gekommen. Vielleicht genügt es sogar deinen verqueren Ansprüchen.«
Die Bilder zeigten ein rostrotes Holz-Chalet mit Türmchen und Schnitzwerk, eine eigenwillige Mischung aus russischem Landhaus und Villa Kunterbunt. »Exquisites Wohnen in denkmalgeschützter Zwanziger-Jahre-Villa«, las ich. »Stadtnah gelegen. Das Anwesen verfügt über
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