Das Dach kommt spaeter
zweihundert Quadratmeter Wohnfläche und einen ausgedehnten Garten. In den oberen Etagen haben Sie freien Blick auf den Kaulsdorfer See, der sich in fußläufiger Nähe befindet. Erfüllen Sie sich Ihren ganz eigenen Traum vom Leben im Grünen!« Abgesehenvon der idiotischen Formulierung der »fußläufigen Nähe« war ich schwer beeindruckt. Ich spürte, wie heiße Wallungen meinen Körper ergriffen. Offenbar hatte mich das Jagdfieber gepackt.
»Na gut«, sagte ich betont beiläufig, weil ich nicht den Eindruck erwecken wollte, klein beizugeben. »Da ich dir nichts abschlagen kann: Mach doch einen Besichtigungstermin aus.«
»Längst passiert. Morgen um eins.«
Der Trip nach Kaulsdorf war im Vergleich zu unserer Safari in die Brandenburger Serengeti nur ein Katzensprung. Mitten in einer sympathischen Einfamilienhaussiedlung aus den Anfängen des vorigen Jahrhunderts fanden wir auf einem halbverwilderten Grundstück das kleine Traumschloss. Nachdem wir uns in der Nacht ausgiebig versöhnt hatten, standen wir nun mit leuchtenden Augen Hand in Hand vor dem Gartentor und waren uns auch ohne Worte einig. Sollte es keine unwillkommene Überraschung beim Preis geben, würden unsere Kinder in genau diesem verwunschenen Palais aufwachsen. Erst als der silbergraue A-Klassen-Mercedes der Maklerin anrollte, versuchten wir, unseren Überschwang ein klein wenig zu drosseln. Schließlich wollten wir unsere Verhandlungsposition nicht unnötig schwächen.
»Lisa Mertens, Beta-Immobilien«, stellte sich die grell geschminkte und nur begrenzt attraktive Dame kurzatmig vor und bemühte sich um ein Lächeln. »Tut mir leid, ich bin etwas in Eile. Wenn Sie mir vielleicht folgen wollen?«
Sie öffnete die Pforte, wir machten eine Runde ums Haus und betraten dann das Innere des Holzschlösschens. Innen war alles recht spartanisch: wenig Schnitzwerk, schlichte Türen, dünne Wände. Ann-Marie klopfte kritisch dagegen. Es war nicht zu übersehen, dass sie die harsche Kritikeringeben wollte, um den Preis unseres Traumhauses so weit wie möglich zu drücken. Ich unterstützte sie nach Kräften.
»Das Holz ist ziemlich angegriffen. Und die Farbe blättert«, ätzte ich.
»Die Zimmeraufteilung ist extrem ungünstig, nur Riesenräume«, legte Ann-Marie sofort nach.
»Tut mir leid, dass Ihnen das Objekt nicht gefällt. Wollen wir gehen? Ich habe wirklich viel zu tun.«
War unsere Immobilien-Fachverkäuferin so abgebrüht, dass sie unser Spiel durchschaute? Oder war sie tatsächlich im Stress? Auf jeden Fall schlug sie uns mit unseren eigenen Waffen.
»Können sie uns vielleicht einen Grundriss mitgeben?«, lenkte ich schnell ein, um unser fortbestehendes Interesse zu signalisieren.
»Gern«, sagte sie und gab jedem von uns ein Exemplar.
Ich hakte nach. »Gibt es auch einen Keller?«
»Ja, gibt es, obwohl er nicht groß ist. Und ich will Ihnen nichts vormachen: Es gibt nicht nur einen kleinen Keller, sondern auch ein kleines Problem.«
Sie zückte ein weiteres Dokument, das sie uns ebenfalls in zweifacher Ausfertigung überreichte. »Dies ist ein Gutachten. Darin geht es um den
Bauschwamm
im Keller. Und darum, was eine fachmännische Beseitigung durch eine Spezialfirma in etwa kostet.«
Bauschwamm klingt fast wie Bauschaum, also zunächst einmal ganz harmlos. Aber die Summe am Ende des Kostenvoranschlags ließ mich schlagartig erblassen. »Kleines Problem« war also typisches Maklerdeutsch. Kein Wunder, dass dieses schnucklige Immo-Schätzchen noch keinen Liebhaber gefunden hatte.
Ann-Marie streckte der Meisterin der Verharmlosung die Hand entgegen und meinte trocken: »Vielen Dank, dasswir Ihnen unsere kostbare Zeit opfern durften, Frau Mertens. Und – Schwamm drüber.«
Ich sah meine Frau bewundernd an. Manchmal macht ihre Schlagfertigkeit mich einfach sprachlos.
Auf der Rückfahrt waren wir beide sehr still. Es ist nicht angenehm, seine Träume zu begraben. Erst kurz vor Neukölln fand Ann-Marie ihre Sprache wieder.
»Hättest du gedacht, dass es so schwer wird, ein Haus zu finden, das uns beiden gefällt und das wir uns auch leisten können?«
»Nee, hätte ich nicht. Aber inzwischen glaube ich, dass wir besser beraten sind, wenn wir ein Grundstück kaufen und selber bauen.«
Ann-Marie schwieg nachdenklich. Um das Eisen weiterzuschmieden, hakte ich nach. »Was hältst du von der Idee?«
»Ein Haus zu bauen ist wohl keine
Idee,
auf die du jetzt ein Patent anmelden kannst, oder? Ich glaube, diese
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