Das Dach kommt spaeter
eines Hauses, das nicht beim ersten Sturm wie eine schwangere Auster in sich zusammenfallen soll?«
»Nun, ich bin mir nicht sicher. Deswegen haben wir Ihnen den Entwurf ja zur Begutachtung vorgelegt.«
»Beantworten Sie bitte einfach meine Fragen.«
»Tut mir leid. Offen gesagt denke ich, dass meine Voraussetzungen ausreichend sind.«
Herr Pfleiderer räusperte sich ungläubig. Was mir in diesem Schlagabtausch eine dringend nötige Verschnaufpausebrachte. Er stand auf und klappte eine Ecke seines Bücherregals auf. Dahinter befand sich eine verspiegelte Bar mit unzähligen Whiskygläsern und mindestens fünfzig verschiedenen Whiskyflaschen. Aus einer goss er sich ein Glas ein und schob die Bücherwand wieder an ihren Platz.
»Herr Topal. Das ist hoffentlich nicht Ihr Ernst.«
»Herr Pfleiderer, ich sage nur, warum ich geglaubt habe, einen halbwegs fachgerechten Grundriss zeichnen zu können.«
»Warum Sie geglaubt haben oder immer noch glauben?«
Das war eine schwierige Frage. Eigentlich war ich nach wie vor der festen Überzeugung, dass mein Plan den fachlichen Anforderungen genügte. Aber sein Fragekreuzfeuer verunsicherte mich von Sekunde zu Sekunde mehr. Ich beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. »Ich glaube das nach wie vor.«
Dieses Statement veranlasste Herrn Pfleiderer erstmals, seine Nickelbrille aufzusetzen. Über den Rand seiner Gläser hinweg schaute er mich forschend an. »Herr Topal. Ganz ehrlich: Ich komme nicht dahinter, ob Sie ein Genie oder ein Idiot sind. Nur ein Idiot würde sich mit Ihren sogenannten Kenntnissen an einen solchen Entwurf wagen. Folgerichtig ist Ihr Plan unorthodox. An manchen Stellen auch dilettantisch. Jedoch, und hier komme ich zur Frage des Genialischen, ist er im Großen und Ganzen nicht nur originell, sondern in den wesentlichen Punkten korrekt und vor allen Dingen: umsetzbar.«
Das hatte ich mir in meinen Phantasien anders vorgestellt. Aber Lob blieb Lob, egal, unter welchem Deckmantel es daherkam. Und »umsetzbar« klang eindeutig positiv.
»Sie werden den Grundriss also in dieser Form beim Bauamt zur Genehmigung einreichen?« Eigentlich sollte die Frage lässig klingen, aber ich konnte meine Erleichterung nicht ganz verbergen.
»Jubeln Sie nicht zu früh. Ich werde den Entwurf in vielen Details nacharbeiten müssen. Aber letzten Endes wird das Haus in allen entscheidenden Punkten Ihre Ideen widerspiegeln. Ehrlich gesagt, hasse ich es, wenn Laien in unserem Gewerbe herumdilettieren. Trotzdem muss ich zugeben: Sie sind ein Naturtalent, an Ihnen ist womöglich ein großer Architekt verlorengegangen. Schade. Dennoch Glückwunsch zu Ihrer gelungenen Arbeit!«
Junge, das war eine Eloge, die meine kühnsten Phantasien übertraf. Es war mir hochnotpeinlich, aber ich konnte nicht verhindern, dass mein Gesicht rot wie eine Hagebutte anlief.
»Herr Pfleiderer, wie kann ich Ihnen bloß danken?«
»Es reicht mir, wenn Sie beim Hinausgehen wieder auf die Türschwellen achten. Verkannte Genies sind ja häufig so Hans-guck-in-die-Luft-Typen. Und ruck, zuck hab ich die Schadensersatzklage am Hals.«
»Ich werde mein Bestes tun«, versicherte ich und wollte mich erheben.
»Ich finde, Sie haben mit dem Entwurf bereits mehr als Ihr Bestes getan. Vermeiden Sie den typischen Anfängerfehler und überschätzen Sie sich nicht!«
»Wie meinen Sie das?«
»Ihre Schwiegermutter meinte, Sie wollen die Koordination der Gewerke selbst übernehmen. Davon rate ich dringend ab. Sollen Ihre Kinder Sie immer nur am Rande des Nervenzusammenbruchs erleben? Ich empfehle unbedingt eine erfahrene Firma, die den Hausbau in all seinen Facetten kennt, die nötigen Subunternehmer an der Hand hat und diese in Ihrem Auftrag professionell koordiniert. Oder noch klüger: Beauftragen Sie einen erfahrenen Architekten, der das für Sie übernimmt.«
Die Schwabenmafia! Da war sie wieder und wollte mich aus dem Spiel drängen. Offenbar konnte sie nicht verknusen,dass ich meine Wette gewonnen hatte, und versuchte auf diese heimtückische Art, die Niederlage nachträglich in einen Sieg umzumünzen. Wer glaubten diese Spätzleschaber zu sein – Al Pacino in
Der Pate?
Um mich auszuhebeln, bedurfte es schon anderer Kaliber als dieser Ochsenbackenbande. Ich ließ mir meinen Ärger nicht anmerken.
»Ihre Fürsorge ehrt mich, lieber Herr Pfleiderer«, liebedienerte ich. »Türken gelten zwar nicht als Meister der Organisation, aber ich darf für mich in Anspruch nehmen, die Ausnahme von der Regel zu sein.
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