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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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unscheinbarer, offen in der Küche ausgelegter Einkaufszettel. Darauf vermerkst du ein, zwei Pöstchen banalen Krempels, der im Haushalt immer benötigt wird, etwa eine Dose Lack und ein paar Achter-Dübel. Für den Baumarktsüchtigen genügt das schon als offizielle Krankschreibung. Hat der Vorwand seinen Zweck erfüllt und ist Mann in seinem Himmelreich angekommen, müssen solche Banalitäten selbstverständlich warten. Denn Lack oder Dübel sind harmloser Kinderkram und taugen allenfalls zur Einstiegsdroge in diese Welt voll technischer Wunderwerke und metallener Schätze, die Frauen bekanntlich gleichgültig lässt. Wichtig ist, sich vollständig vom Alltag zu lösen und die euphorisierende Wirkung der Umgebung auf sich wirken zu lassen. Es gilt, alle zivilisatorischen Zwänge abzustreifen und gemeinsam mit den anderen Do-it-yourself-Addicts die verschiedenen Abteilungen gleichsam im Rausch zu erspüren. Restposten und reduzierte Ware werden in der großen weiten Welt der Heimwerkerei zur bewusstseinserweiternden Inspiration, wobei die allgegenwärtigen Werbefilme zusätzlich stimulieren.
Sie kennen das Problem. Sie wollen die Decke streichen, und die Farbe tropft Ihnen entgegen. Das muss nicht sein! Dank »Nospritz Feste Farbe« erledigt sich dieses Problem von ganz allein.
    Diese penetranten Videomantras bringen einen erst in den richtigen Flow, und schnell kommt im Rieseneinkaufswagen einiges zusammen. Hier die ausziehbare Dreimeter-Stehleiter aus unverwüstlichem Aluminium, dort eine Zehn-Quadratmeter-Spanplatte. Nicht zu vergessen ein Paar neue Arbeitsschuhe und – der Hyperkick – die vier preisreduzierten Akku-Spax-Bohrmaschinen plus der fünften als kostenloser Zugabe.
    Irgendwann ist dann der Punkt erreicht, an dem du auf deinem Trip endgültig die Kontrolle verlierst. Auf der Reisezwischen den gigantischen Abteilungen hast du locker dreitausend Kalorien verbrannt. Du bist schweißnass, und beim Anblick deines hoffnungslos überladenen Einkaufswagens stürzt dein Blutzucker ins Bodenlose. Wohl dem, der sich für diesen Fall rechtzeitig mit Schokoriegeln und Traubenzucker eingedeckt hat. Es folgen Ernüchterung, Reue und die unvermeidlichen Schuldgefühle, ohne die eine Sucht nicht wirklich ernst zu nehmen ist: Wie heiße ich? Was tue ich hier? Und wie zum Dübel sind all diese Sachen in meinen Wagen gekommen?
    Aber es ist zu spät. Du bist mit all den anderen verlorenen Seelen in den schmalen Zugängen der Kasse gefangen. Hier gibt es keine Chance mehr zu reuevoller Umkehr. Dies ist der »Du hast es so gewollt, also bezahl dafür«-Punkt, der point of no return. Wie Hohn zerfetzen die zynischen Werbebotschaften nun dein verkatertes Hirn:
Es gibt immer was zu tun.
    Beim Blick auf den Kassenzettel verlierst du kurz die Besinnung und musst anschließend ein Nottelefonat mit Herrn von Feuchtleben führen. Zu Hause folgen der entgeisterte Blick deiner Liebsten auf die fünf Bohrmaschinen und die unvermeidliche Frage: »Schatz, hast du an die Dose Lack und die Dübel gedacht?« Natürlich nicht. Denn ich weiß: Ich komme wieder.
    Man kann über die Sinnhaftigkeit von Baumarktbesuchen durchaus streiten, aber als mein Baba die Klappe seines alten Benz mühsam nach oben liftete, war eins klar: Ich hätte mich niemals auf seine Nachbarschaftshilfe verlassen dürfen.
    »Baba, ist das etwa die Säge?«, fragte ich ungläubig. »Sieh dir bitte mal den Baum an, den wir fällen wollen!«
    Mein Vater blickte mich beleidigt an. »Oğlum, Säge süper. Schneidet Baum wie Gemüse!«
    Ich blieb skeptisch. Okay, die Eiche hatte ihre besten Jahre hinter sich. Aber auch im nahezu entlaubten Rentenalter war sie ein Zehn-Meter-Brocken von stattlichen Ausmaßen und damit ein ernstzunehmender Gegner. Besonders, wenn man sich unsere lachhafte Truppe genauer betrachtete: ich mit einem stumpfen Kriegsbeilchen, das man getrost in der Friedenspfeife rauchen konnte, Baba, der mit seiner Spielzeug-Kettensäge wie ein ausgemergelter Muppet-Show-Rambo auf dem Weg zum nächsten Laubsägen-Meeting aussah, und, nicht zu übertreffen, Gerd in seiner geliehenen Motorradkluft, die ihn so beweglich machte wie eine Meeresschildkröte auf Landurlaub. Durch den Helm war sein Gesichtsfeld so eingeschränkt, dass er auf dem Weg zum Tatort an jeder zweiten Wurzel hängenblieb und völlig orientierungslos über das Gelände wankte. Mir war fast, als lachte die alte Eiche bei unserem Anblick höhnisch in sich hinein.
    Als wir dem Feind endlich von

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