Das Dach kommt spaeter
brüllte ich so laut, dass selbst Mecklenburger Tote aus ihren Gräbern sprangen. »Baut euer dämliches Haus doch alleine. Mir reicht meine Mietwohnung. Glück ist in der kleinsten Hütte, merkt euch das!« Türenschlagen, Schmollprogramm – diesmal von meiner Seite. Allerdings bin ich nicht der Typ, der lange wütend sein kann. Also stand ich schon eine Stunde später wieder vor der Tür und entschuldigte mich.
»Und um zu beweisen, dass ich es ernst meine, engagiere ich eine Firma, die uns den gesamten Organisationskram abnimmt«, setzte ich meinem Versöhnungsangebot noch ein Sahnehäubchen auf. Das selbst meiner Frau ein zartes Lächeln auf das schöne Gesicht zauberte.
Ein Lächeln! Wann hatte ich das zuletzt bei ihr gesehen? Es schien Jahrzehnte her. Wie ein schmachtender Raucher, der sich nach einer weggeworfenen Kippe bückt, ein dürstenderTrinker, der den letzten, schalen Tropfen aus dem Glas leckt, saugte ich dieses kleine Zeichen der Freude und Sympathie gierig auf. Unsere schwierige Lage hatte aus meinem ehemals zärtlich schnurrenden Kätzchen eine unberechenbare Tigerin gemacht, ein hilflos dem Hurrikan ihrer Hormone ausgeliefertes Muttertier. Längst war unser einst so kuschliges Liebesnest zum bedrohlichen Käfig geworden, so dass der zügige Bau unseres neuen Heims für mich mehr und mehr zu einer Frage des Überlebens wurde.
Daher war das Engagement eines Bauunternehmens keinesfalls eine spontane Idee, sondern ein Plan, mit dem ich schon länger schwanger gegangen war. Nur mein Stolz hatte mich bis dahin an der Entbindung gehindert. Denn ich war vielleicht größenwahnsinnig, aber nicht doof. Naturgemäß hatte ich schnell gemerkt, dass ich völlig überfordert war. Um ein Haar hätte ich Pfleiderer sogar die Bauleitung angetragen, fand diesen Schritt dann aber zu weitgehend. Schließlich ging es nach wie vor um meinen Stolz, um meine männliche Selbstachtung, und damit war nicht zu spaßen. Also beschränkte ich mich darauf, einen Baupartner zu finden, und besuchte zu diesem Zweck eine der zahlreichen Hausbaumessen.
Ein interessantes Unterfangen, denn die dort zu besichtigenden Vertriebsmenschen wirkten auf mich wie Bonobo-Affen auf Speed. Hinter jedem Rock und jedem Portemonnaie her, jagten sie mit animalischem Kreischen alle Messebesucher, die sich ihnen auf weniger als zehn Meter näherten. Weshalb ich versuchte, mich möglichst unauffällig und weitflächig an ihren Ständen vorbeizudrücken. Was nicht der Sinn der Sache sein konnte. Schließlich war ich gekommen, um möglichst viele Kontakte zu knüpfen. Also zwang ich mich hin und wieder an einen Infotresen, dessen Betreiber nicht völlig abgedreht wirkten.
Dazu gehörte auch eine Firma namens Hebbel-Haus. Deren Stand weckte deswegen meine Sympathie, weil der »Sales Manager« – ein gewisser Herr Leckmann – inmitten all der adrenalin- und testosterongetriebenen Verkaufskanonen wie der Inbegriff deutscher Gemütlichkeit wirkte. Fast konnte man glauben, der korpulente Herr wäre auf der Suche nach der nächsten Weinstube versehentlich auf diesem irren Basar gelandet. Tiefenentspannt und ohne hektisch blinkende Euro-Zeichen in den Augen bat er mich, in seiner kleinen Sitzecke Platz zu nehmen.
Dort legte er mir routiniert einen Musterhausprospekt nach dem anderen vor. Obwohl ich bestenfalls Bauleistungen kaufen wollte und auf keinen Fall beabsichtigte, eines der allesamt bieder wirkenden 08/15-Fertighäuser zu erstehen, ließ ich die anscheinend unumgängliche Prozedur höflich nickend über mich ergehen. Irgendwann musste er mit den Broschüren ja durch sein, und dann würde er sich hoffentlich meinen Fragen widmen. Plötzlich schoss ich wie von Hummerscheren gezwickt aus meinem Sitz. Da war MEIN Entwurf! Kein Zweifel. Sicher: Zwei, drei Kleinigkeiten waren anders, das änderte allerdings nichts daran, dass dieses Modell eins zu eins meinem Grundriss entsprach. Ich war schockiert, und nicht zuletzt über den Namen: »Domus«. Der des Lateinischen mächtige Bildungsbürger wird den Begriff nicht weiter anstößig finden, handelt es sich doch um das lateinische Wort für Haus. Im Türkischen aber heißt »Domuz« Schwein. Sollten meine Kinder in einem Schweinestall aufwachsen? Und wie kam es überhaupt zu dieser seltsamen Dopplung? Hatte Pfleiderer meinen, wie er zugegeben hatte, »genialischen« Entwurf meistbietend versteigert? Oder hatte ich meinen Plan gar bei Hebbel geguttenbergt? Bewusst kopiert hatte ich nichts, das konnte ich
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