Das Dach kommt spaeter
aufgebracht. Und obwohl ich seine Wortwahl nicht hundert Prozent passend fand, konnte ich seinen Ärger ansatzweise verstehen. Unsere gut gemeinte Holzfälleraktion war in der Tat nicht ganz glücklich gelaufen. Ich versuchte, mein Bedauern in angemessene Worte zu kleiden.
»Herr Schneider, ich begreife Ihren Ärger. Aber ich verspreche hoch und heilig: So etwas wird in Zukunft nicht mehr vorkommen.«
»Ihr Geisteskranken wollt also keine Bäume mehr auf mein Haus werfen? Das ist ja toll! Da bin ich wirklich total dankbar. Vielen Dank, echt! Wenn ich euch Armleuchtern demnächst auch was Gutes tun darf, klingelt einfach kurz an meiner Tür.«
Während der letzten Sätze trat er glücklicherweise den Rückzug an. Er schien zu der Sorte der kläffenden, aber nicht prügelnden Angreifer zu gehören.
»Junge, hatte ich schon Kettensäge in Position gebracht«, meinte Baba auf der Heimfahrt zwar beruhigend, dennoch war das alles recht unerfreulich. Ich hatte noch nicht einmal angefangen, einen Stein auf den anderen zu setzen, und mir trotzdem schon alle Sympathien meiner neuen Umgebung gesichert. Großes Autorenkino.
11. Kapitel
Auf Partnersuche
Mit der in den Vorgarten gelegten Eiche hatte ich eine Visitenkarte abgegeben, die mir nicht zum Vorteil gereichte. Das war extrem ärgerlich, aber nicht zu ändern. Schneider nahm bei den erforderlichen Aufräumarbeiten jede Gelegenheit wahr, uns aus sicherer Entfernung lautstark zu verdammen. Das Wegtransportieren der stämmigen Eichenleiche sowie das Säubern des Gartens waren eine Plackerei für sich, doch immerhin war das unerwünschte Monstrum damit zwar unsach-, aber auftragsgemäß erlegt. Ansonsten ging es jedoch nicht voran. Seit dem Grundstückskauf waren mittlerweile schon über vier Monate vergangen, und der Baubeginn war nicht abzusehen. Einerseits hatten wir weiterhin keine Genehmigung, was unbestreitbar nicht meine Schuld war. Andererseits kam ich durch meine zahlreichen beruflichen Verpflichtungen viel zu selten dazu, die Gespräche und Verhandlungen zu führen, die notwendig gewesen wären. Entsprechend wurde das Binnenklima in unserer Gnomenwohnung zusehends frostiger.
»Murat, warum bitte willst du immer alles selber machen? Ich hab dir von Anfang an gesagt, dass du rettungslos überfordert sein wirst!«, lautete die morgendliche Standardbegrüßung meines Ehedrachens – für meine ehemals so liebenswerte Frau inzwischen leider die einzig treffende Bezeichnung.Worauf ich schweigend und mit starrem Blick auf die Zeitung mein Müsli in mich hineinschaufelte und erst, wenn Ann-Marie ein drittes oder viertes Mal nachfragte und dabei immer wütender wurde, so etwas antwortete wie: »Ist doch schön, dass du immer alles besser weißt.«
Ein sparsamer Dialog, jedes Mal endend in Türenknallen, Schmollprogramm, Versöhnungsdatum ungewiss. Nicht leichter wurde das Leben dadurch, dass unser Neuzugang Ayla tagsüber zwar ein goldiger Sonnenschein, nachts aber ein eher schlecht gelauntes Kind war. Ann-Marie störte dies wenig, denn dank ihres zuverlässigen Schlafprogramms bekam sie nichts davon mit. Also musste ich jede Nacht aus dem Bett krauchen und mühevoll herausfinden, was unserem süßen Schreihals aktuell fehlte. Meist war es schlicht und einfach Nahrung. Zur Behebung dieses Mangels war immer abgepumpte Muttermilch im Eisschrank, die ich auftaute und per Fläschchen verfütterte. Meine Kleine lag dann glucksend in meinem Arm, während ich – um in meiner Übermüdung nicht plötzlich einzunicken und dabei meine Himmelstochter mit womöglich verheerenden Folgen aus der Armbeuge rutschen zu lassen – in meiner Phantasie die waghalsigsten Stuntszenen für meinen ersten Actionfilm entwickelte. Keiner dieser Stunts konnte jedoch adrenalinmäßig mit jener Nacht konkurrieren, in der Ayla unerwartet die Flasche verweigerte. Immer hatte sie sich gefreut, wenn ich mit der Milchration kam, und vertrauensvoll vor sich hin genuckelt. Nun aber drehte sie bei jedem Versuch, ihr den Saugschnuller in den Mund zu schieben, den Kopf weg und brüllte von Mal zu Mal lauter ihren Frust heraus, was nach dem sechsten oder siebten vergeblichen Anlauf eine geradezu infernalische Geräuschkulisse ergab. Mein Herz raste, als stünde ich am Rande einer tiefen Schlucht einer Herde feuerspeiender Godzillas gegenüber – aus Angst, meine hormonellgebeutelte und emotional instabile Gattin könnte durch das Gekreische aus dem Schlaf gerissen werden, den sie doch so dringend
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