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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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langweilt er sich allein.«
    Und dann befiel mich der Buddelzwang. Das geht mir am Strand immer so.
    Wie bei jeder Sucht sind die ersten Symptome harmlos: Ich gehe mit dem Kleinen ein paar Sandkuchen backen. Und dann sieht man mich nach und nach in immer tiefer werdenden Baugruben verschwinden.
    Irgendwann fragte meine Frau, meinen krankhaften Zustand ignorierend: »Wir gehen zurück ins Hotel, zum Abendessen. Was ist mit dir, kommst du mit?«
    Und ich, tief unten aus der metertiefen Grube: »Ich komme nach, Schatz.«
    Trotz des späten Nachmittags knallte die Sonne immer noch heftig auf meinen unbedeckten Schädel, und nach und nach verfiel ich in meinem Stollen in fiebrige Hitzephantasien. Ich sah oben am Eingang von »Murats Monstermine« meine Frau unter einem Sonnenschirm sitzen und Tickets für mein weitverzweigtes Stollensystem anbieten, während meine kleine Tochter sich um das Merchandising kümmerte, also T-Shirts, Schaufeln, Eimer und Drinks verkaufte. Braungebrannt, leicht versandet und mit Grubenlampe am Helm führte ich die zahllosen Interessenten, witzig und anschaulich erzählend, nacheinander in kleinen Gruppen durch die verschiedenen Bauabschnitte. Plötzlich sah ich ein paar Uniformierte an der Grubenkante stehen.
    Ich, in meinem Gitteraufzug hochgefahren, in perfektem Spaeutsch: »Que gibt’s?«
    Mein erster Gedanke war: Das müssen die vom Rathaus sein, die zur Bauabnahme kommen. Aber hinter ihnen standen zwei Autos mit blinkendem Blaulicht und der Aufschrift
Guardia Civil
. In meinem Hirn ratterte es kurz. Guardia rief bei mir als erfahrenem TV-Gucker sofort die richtige Assoziation hervor. Guardia Civil war die Kanaren-Variante der guten alten Hasselhoff-und-Pamela-Coast-Guard.
    »Hey! Baywatch!«, rief ich der verblüfften Gruppe begeistert zu.
    »La identificación, Señor!«
    Ganz so gut war mein Spanisch dann leider doch nicht. Das Einzige, was ich in dem Kauderwelsch identifizieren konnte, war ein in Deutschland gebräuchliches Slangwort für Geschlechtsverkehr. Daher fragte ich vorsichtig: »Ficka Pam?«, und machte die international gebräuchliche Geste für einen großen weiblichen Vorbau. Das machte die Küstenwächter wütend.
    »SEÑOR!«, brüllte der Unfreundlichste der Truppe so laut, als wollte er auch den afrikanischen Kontinent über seine Empörung in Kenntnis setzen. Irgendwie hatte ich ihn wohl falsch verstanden, aber das war doch noch lange kein Grund, gleich den Brüllaffen zu markieren. Da man offensichtlich das Gefühl hatte, bei mir mit Spanisch nicht weiterzukommen, versuchte sich einer der Gardisten nun an einem Idiom, das wie ein in der Spülmaschine durcheinandergewirbeltes Anfänger-Englisch klang.
    »What you doing? You see hotel? Is in danger, the basement, whole Hotel! You must close here! Finish!«
    Das war der Grund für all das Geschrei und die Hektik? Dass man wegen meiner Mine befürchtete, das Hotel könne in sich zusammenfallen? Das hätte man mir auch in zwei bisdrei kurzen Sätzen ganz höflich mitteilen können. Aber bitte, ich war ja nicht der Springteufel Kosewitz und nahm die Sache daher mit weltmännischer Grandezza. »De nixa. Mi finish e vamo Dinner.«
     
    Meiner Frau erzählte ich beim Buffet lieber nichts von dem kleinen Zwischenfall. Schließlich wollte ich unsere neuerrungene Harmonie nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Dafür machte ich einen anderen Fehler, und der war schwerwiegend: Ich schaltete mein Handy wieder ein. Nur weil ich wissen wollte, ob ich einen TV-Job, der im Gespräch war, nun bekommen hatte oder nicht. Ich hatte nicht. Dafür waren zwölf neue Nachrichten auf meiner Mobilbox. Vermutlich ging mehr als die Hälfte davon auf die Kappe von Kosewitz. Um Kraft zum Ertragen seiner Wortkaskaden zu schöpfen, ging ich an den Fleischtöpfen Nachschub holen. Als ich zurück an unseren Tisch kam, schien der Weltuntergang Einzug gehalten zu haben. Levin weinte, Ayla schrie, und meine manisch an ihren Haaren zippelnde Frau starrte mich an, als wäre ich der Leibhaftige persönlich.
    »Was ist los?«, fragte ich entgeistert. »Habe ich mich bekleckert?«
    Statt einer Antwort streckte mir Ann-Marie mein Smartphone entgegen.
     
    Briten sauer, dass Sie den Termin haben platzen lassen. Einvernehmliche Lösung kaum noch möglich. Pfleiderer.
     
    »Wieso liest du meine SMS?«, war das Einzige, was mir als Antwort auf diese Terrornachricht einfiel. Ich Obervollpfosten! Wie hatte ich nur den von Pfleiderer erkämpften Heuschreckentermin

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