Das Dach kommt spaeter
der Name war offensichtlich eine Herausforderung für sie. »Mista Koseewitsch. Could this be for you, Señor?«
Ich wäre glücklicher gewesen, hätte sie den Namen nicht über ihre aufgespritzten Lippen gebracht. Erstaunlich, wie ein banaler Nachname den Effekt, den ein Abstand von mehreren Tausend Flugkilometern auf mein Wohlbefinden gehabt hatte, ruck, zuck zunichtemachen konnte. Meine Frau machte ihr »Sie hat dich gemeint und nicht mich«-Gesicht,nahm Zimmerschlüssel und Kinder und verschwand in Richtung Aufzug.
Ich ergab mich meinem Schicksal, und da meine Kur aus einer Lüge geboren worden war, beschloss ich, sie mit einer kleinen Flunkerei fortzusetzen:
»Topas is my name as artist. I’m a famous German singer. But please don’t tell anybody. I have shaved my hair and travel incognito.« Während ich diesen Unsinn von mir gab, der auf die Verwüstungen anspielte, die der Stress der letzten Monate bei meinem nur noch rudimentär vorhandenen Haupthaar hinterlassen hatte, zwinkerte ich ihr verschwörerisch zu. Wie beabsichtigt, zerfloss sie geradezu vor Bewunderung. Die Wertschätzung einer attraktiven Frau hat auch verheirateten Männern noch nie geschadet. Sie war so beeindruckt, dass sie glatt das ominöse Fax vergaß. Auf das ich inzwischen aber doch neugierig war. Ich beugte mich über den Tresen und kratzte ein paar Worte zusammen, die ich für Spanisch hielt: »Gracias per el Faxos.« Und nach einer kurzen, bedeutungsvollen Pause hauchte ich hinterher: »Shakira!«
Die Wirkung meiner plumpen Schmeichelei war noch besser als erhofft. Sie kicherte hysterisch, und während ihr hübsches Gesicht knallrot anlief, schob sie mir ein mit handgeschriebenen Bemerkungen vollgeschmiertes DIN-A4-Blatt zu und säuselte: »I hope iss a good news for you.«
Ich war sicher, dass dem nicht so war. Und behielt naturgemäß recht. Der Wisch enthielt die Klage, dass die Elektroinstallationsfirma versäumt hatte, der 380-Volt-Leitung ihren Weg durch den Keller zu sichern – sowie einige sehr seltsame Vorschläge wie zum Beispiel, die Starkstromleitung durch den Treppenaufgang im Erdgeschoss münden zu lassen und den angeblich immer größer werdenden Riss im Fundament mittels Telekinese zu kitten. In einem Akt selbstloser Nächstenhilfe hatte der übergeschnappte Baustellenterminatormir seine Telefonnummer auf das Faksimile gekritzelt, aber natürlich, wie es eben seine Art war, die Dinge immer nur halbfertig zu machen, ohne die Auslandsvorwahl. Ich sah meine Mobilfunkrechnung aufgehen wie einen Hefeteig. Dennoch wäre es sinnlos, sich jetzt aus der Verantwortung zu stehlen, nur um eine Woche später alle Versäumnisse doppelt und dreifach um die Ohren gehauen zu bekommen. Ich pfriemelte mein Handy aus der Reisetasche und gab die Nummer ein, die ich sowieso schon lange auswendig kannte. Plus 0049.
»Herr Topas, ick hab schon jedacht, Sie melden sich jar nich mehr. Wat sind n dit für Elektrospinna? So wat hab ick ja noch nie erlebt.«
Ich ertrug seine nichtssagenden Phrasen und hoffte im Interesse meiner Handyrechnung, dass er irgendwann Substantielles zum Thema beitragen würde. Aber erst nachdem ich ein kleines Vermögen in Telefonkosten investiert hatte, wurde mir klar: Der Mann wollte lediglich Absolution – die Bestätigung, dass er für das ganze Chaos nichts konnte. Schuld waren wie immer die anderen, und überhaupt, wenn ich ihn nicht hätte … Mir war das in diesem Moment schnurzegal. Ich wollte Urlaub machen und endlich Abstand von dem Britzer Trauerspiel gewinnen. Also sparte ich mir die eigentlich fälligen Vorwürfe über seine eigentümliche Arbeitsaufassung und nutzte die spärlichen Pausen in seinem Redeschwall für Beschwichtigungsformeln à la »Kann ja mal passieren« oder »Na, das kriegen Sie doch hin, Herr Kosewitz«. Währenddessen sah ich meine Familie zum Strand hinunterwandern. Ann-Marie winkte vergnügt. Welch Hohn! Höchste Zeit, den lästigen Ohrenegel abzuschütteln.
»Herr Kosewitz«, grätschte ich dem Blubberphantom resolut in die Parade, »lassen Sie uns alles Weitere später disku… Pronto, pronto, Herr Kosewitz?«
Ich haute mit Schmackes auf die rote Taste und schaltete das Telefon in Windeseile aus. Endlich Ferien vom Estrich.
»War was Dringendes?«, fragte meine Herzensflamme, als ich mich neben sie auf die Badematte legte.
»Nicht wirklich«, unterschlug ich den bedenklichen Geisteszustand unseres Bauleiters. »Kosewitz brauchte ein bisschen Zuspruch. Anscheinend
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