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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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Bauleiter war, aber da der Anrufer seine Nummer unterdrückt hatte, blieb es bei der Vermutung. Beim neunten Mal war er es dann nachweislich. Der Inhalt seiner Nachricht war ein echter Schocker und traf mich völlig unvorbereitet.
    »Herr Topas, ick machet kurz: Hebbel is insolvent. Pleite, wa. Schmuh hat vorhin anjerufen und jesacht, dit alle Hebbel-Baustellen bis uff Weiteret nich mehr bedient werden. So wat hab ick ja noch nie erlebt.«
    Die nächsten drei Anrufe, die wieder der Piep-und-Aufleg-Schablone folgten, nahm ich nur verschwommen wahr. Ich war wie mit dem Vorschlaghammer geplättet. Brach nun mein gesamtes Leben zusammen? Obdachlos, anwaltlos, das neue Haus eine Ruine, meine Frau stumm, meine Kinder allein beim Anblick ihres Vaters in Tränen ausbrechend. War das die gerechte Strafe, weil ich – der geborene Mieter – übermütig geworden war und mir nicht zustehende Höhen als Eigenheimbesitzer erklimmen wollte? Ich versuchte, die dunklen Gedanken abzuschütteln. Meine Familie hatte einRecht darauf, Lösungen serviert zu bekommen, kein Selbstmitleid. Dazu musste ich sie allerdings zunächst einmal finden. Eventuell saß sie ja in der Hotelhalle oder hatte eine Nachricht an der Rezeption hinterlassen. Ich verschob das Duschen auf später und ging nach unten.
    An der Rezeption stand Shakira. Sie strahlte, als sie mich erkannte, und legte verschwörerisch den Finger auf ihre vollen Lippen. »Mister Topas, I kept our little secret.«
    »Then why did I have to write such a lot of autographs?«
    Sie sah mich an, als hätte ich sie des Hochverrats bezichtigt. Ich fand mich schrecklich, konnte mich aber nicht stoppen. Das Geschichtenerzählen steckt mir einfach im Blut. Um sie nicht in den Selbstmord zu treiben, legte ich beruhigend meine Hand auf ihre. »Don’t worry. I’m simply too famous. Anyway, I’m looking for my wife and kids. Did they leave a message?«
    Shakira zog ihre Hand weg und musterte mich misstrauisch. »Don’t you know that they left this morning?«
    »They WHAT???«
    »Left.«
    Von mir aus hätte sie auch »right« sagen können. Ich stürmte zurück in den vierten Stock, riss ungläubig alle Schranktüren auf, sah sogar unter den Betten nach: Bis auf meinen noch nicht ausgepackten Koffer war alles weg. Das Zimmer begann vor meinen Augen wild im Kreis zu wirbeln. Ich fiel aufs Bett und begrub den Kopf im Kissen meiner Frau. Dann brach die Sintflut los. Ich heulte. Heulte. Und heulte. Eine Viertel-, eine halbe, eine ganze Stunde. So lange, bis irgendwann die Tränen versiegt waren. Zu meinem Erstaunen fühlte ich mich erschöpft, aber irgendwie auch gereinigt. Mir fiel eine Weisheit des guten alten Rocky Balboa ein: »But it ain’t about how hard ya hit…. It’s about how hard you can get it … and keep moving forward.« Genau! Solangeich zwei gesunde Beine hatte, würde ich forwardgehen. Und dieses vermaledeite Haus fertigbauen. Und am Ende – am Ende würde Ann-Marie Topal, geborene Häberle, im Büßerhemd auf Knien angerutscht kommen und mich reumütig um Verzeihung bitten. So und nicht anders würde es sein. Sofern es noch Gerechtigkeit auf der Welt gab. Bevor ich der Gerechtigkeitsfrage jedoch ernstlich auf den Grund gehen konnte, musste ich zunächst einmal meinen vorzeitigen Rückflug organisieren.

17. Kapitel

Hilf dir selbst
     
     
    Die Heimkehr erwies sich wegen ausgebuchter Charterflüge als außerordentlich schwierig. Ich wunderte mich, wie meine Familie so schnell weggekommen war. Vielleicht mit Schwimmflügeln? Ich musste sage und schreibe drei weitere Tage auf der Insel herumturnen – und das, obwohl ich für die Umbuchung ein kleines Vermögen hinlegte. Die munter weiterkletternden Kosten fielen bei all den anderen Dingen, die aus dem Ruder liefen, für mich emotional schon gar nicht mehr ins Gewicht. Wurden die Budgets nicht bei jedem Bauprojekt gesprengt? Immerhin gab mir der späte Abflug die Chance, Strand und Meer noch ein wenig zu genießen. Und bei Shakira mein etwas ramponiertes Image wieder aufzupolieren.
    »There are matters of security why my family and I have to leave on different dates, but sshhhh«, raunte ich bei unserer nächsten Begegnung und legte konspirativ den Zeigefinger auf meine Lippen ...
    »Oh, Mr. Topas, I understand«, gurrte sie zurück. »When will you leave the island?«
    »That’s top secret. But I will use my own helicopter.«
    Damit hatte ich bei ihr ins Schwarze getroffen.
»You own a helicopter?«
Bewundernd sah sie mich an.

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