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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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im Keller seiner Bauruine Unterschlupf gewähren musste? Wohl kaum.
    »Herr Kosewitz, falls es einen Straftatbestand namens Ruinenfriedensbruch gibt, klage ich Sie hier sofort raus. Aber darüber reden wir später. Zunächst einmal wüsste ich gern, wie es nach der Hebbel-Pleite denn nun weitergehen soll.«
    Diese harmlose Frage stellte für den weitschweifigsten Redner seit Fidel Castro einen willkommenen Freifahrtschein dar.
    »Also, wolln wa nich lange um den weißen Brei herumreden, Herr Topas. Et jibt een paar Probleme.«
    Das war keine Neuigkeit. Während er so vor sich hin blubberte, überhörte ich geflissentlich seine zahllosen »So wat hab ick ja noch nie erlebt«-Flüche und übersetzte mir seine biblisch lange Predigt still ins Hochdeutsche: Das Installateursduo Pahl & Pohl – »dit sind die Schlimmsten, Herr Topas« – war schon ein halbes Dutzend Mal da gewesen, hatte die Baustelle aber jedes Mal mit Händen in den Hosentaschen betreten und in gleicher Manier eine Zigarettenlänge später wieder verlassen. Beim ersten Mal hatten sie irgendwo Material abgeladen, wussten jedoch schon beim zweiten Mal nicht mehr, wo. Die Fenster, die vor uns im Regen standen – »dit glooben Se nich, Herr Topas« –, waren nicht die Fenster, die ich für mein Haus brauchte: Eines war falsch bemessen worden, das zweite war aus einer anderen Ladung rausgerutscht und hatte mit dieser Baustelle gar nichts zu tun. Die restlichen Fenster konnten zum Glück nicht beanstandet werden, allerdings nur weil sie noch nicht geliefert worden waren – »Macht aba nüscht, Herr Topas. Fensta werden ja komplett überschätzt.« Das Timing der Gerüstbaufirma – »dit Holz, aus dem die jeschnitzt sind, Herr Topas, dit könn Se inne Pfeife roochen« – war ebenfalls schlecht gelaufen, aber andersherum, sie kamen also zu früh. Um kein zweites Mal anreisen zu müssen, hatten sie – offenbar ohne dass mein hochkompetenter Stellvertreter sie daran gehindert hätte – konsequent ihre gesamte Ladung gelöscht. Seitdem stapelten sich rund um den Rohbau meterhoch Gerüstbaustangen, was ein Arbeiten am Haus praktisch unmöglich machte.
    Bis zu diesem Punkt hatte mein Baba alle Katastrophenmeldungen stillschweigend ertragen, das allerdings ging ihm gründlich gegen den Strich. »Stangen müssen weg.«
    »Richtich! Aba ick hab die Jungs ffufzich ma anjerufen. Un nüscht is passiert.«
    Nun riss auch mir der Geduldsfaden.
    »Eben deswegen werden WIR das jetzt angehen.«
    Er starrte mich fassungslos an. »Wie jetze? Wer ›wir‹?«
    »Na, wir:
Kosewitz & Topal
, das stärkste Duo seit
Starsky & Hutch
. Das neben mir ist übrigens mein Bapa. Der hilft bestimmt auch.«
    Baba nickte nur grimmig. Mir schien, dass er Kosewitz nicht leiden konnte. Der zuckte kurz und überlegte wohl, ob er sich meiner Order widersetzen konnte. Aber wenn er seine Notunterkunft nicht Knall auf Fall verlieren wollte, musste er wohl oder übel mitziehen. Also schulterte er bockig das erste Querelement, das ich ihm vom Stapel reichte, und stakste durch den vom Regen aufgeweichten Boden zum Zaun. Es dauerte eine gute Stunde, bis wir den Krempel an die Seite geschafft hatten. Der Quasselmaestro hatte tatsächlich sechzig Minuten lang die Gosche gehalten. Offenbar musste man ihn nur körperlich fordern, um von seinem Gewäsch verschont zu bleiben. Das konnte er haben.
    Vom Dauernieselregen durchweicht, setzten wir uns zum Trocknen in Babas alten Benz. Nach wie vor war nicht geklärt, wie es nach Hebbels Insolvenz grundsätzlich weitergehen sollte. Wie so oft hatte Baba jedoch schon ganz klare Vorstellungen.
    »Hole ich Gerd und paar Kumpel aus Marathonclub und bauen wir Rest selber.«
    »Neeeee, Baba, neee. Kein Gerd, keine halbgaren Pfuschereien! Komplett selber bauen kommt nicht in Frage!«
    »Warum, Junge? Ist türkischer Brauch.«
    Auf diese widersinnige Diskussion wollte ich mich auf keinen Fall einlassen. Allein die Vorstellung, wochenlang Gerd beim Nichtstun und »Jau«-Sagen zusehen und -hören zu müssen, trieb mir allergische Pickel ins Gesicht. Also lenkte ich das Gespräch radikal in eine andere Richtung.»Herr Kosewitz, Sie haben die Kontakte zu allen notwendigen Gewerken?«
    »Hab ick.« Sein Sprachzentrum war immer noch geschwächt von der ungewohnten körperlichen Arbeit.
    »Dann organisieren Sie und ich den Weiterbau auf eigene Kappe. Wohnen können Sie bei mir in Neukölln. Meine Frau ist ... äh ... in einem, ich sag mal, längeren Urlaub.«
    »Na, Sie

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