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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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auch Osrik. Langsam zog er sein
Schwert und legte es auf die gleiche Weise wie Thure zuvor auf
den Tisch, und als er es getan hatte, folgten alle anderen Krieger
seinem Beispiel.
    Es dauerte bis zum nächsten Morgen, bis Urd aus dem heilenden
Schlaf erwachte, in den die Kräuterkunde ihrer Großmutter und
Skulds geduldige Pflege sie versetzt hatten. Er war noch ein
gutes Dutzend Mal bei ihr gewesen, doch schließlich hatten Abu
Dun und er damit begonnen, sich die Zeit mit allen möglichen
Arbeiten zu vertreiben. Zwei oder drei Mal hatte er versucht, mit
einem der fremden Krieger ein Gespräch zu beginnen, es aber
bald wieder aufgegeben. Es war wie an den Tagen zuvor: Die
Männer behandelten Abu Dun und ihn mit ausgesuchter
Höflichkeit, aber auch unübersehbarer Scheu, hinter der sich
wohl nichts anderes als blanke Furcht verbarg.
    Dennoch gab es genug Arbeit. Eines der grasgedeckten Langhäuser war dem Angriff der Dauger zum Opfer gefallen und bis
auf die Grundmauern abgebrannt. Abu Dun und er griffen
kräftig mit zu und halfen, die Trümmer beiseite zu räumen und
das wenige zu sichten, was dem Wüten der Flammen entgangen
war. Zu Andrejs Entsetzen fanden sie in den Trümmern die
Leichen zweier weiterer Dorfbewohner; eines davon war ein
Kind von drei oder vier Jahren gewesen, das Alter des zweiten
verkohlten Leichnams war nicht mehr festzustellen. Der Tag
war eine Stunde alt (was hieß, dass bis zum Sonnenuntergang
noch einmal dreifach so viel Zeit vergehen würde), als die
beiden ersten Schiffe ablegten. Andrej hatte nicht einmal
bemerkt, dass die Männer an Bord gegangen waren, so sehr war
er damit beschäftigt gewesen, verkohlte Balken und von der
Hitze zusammengebackene Mauerreste zu sortieren und auf
verschiedene Stapel zu verteilen, wo sie von den Frauen und
älteren Kindern abermals gesichtet wurden. Die Menschen hier
waren sparsam. Was in seiner Heimat einfach weggeworfen
worden wäre, wurde hier nochmals begutachtet, und den
kritischen Blicken der Suchenden entging nicht ein einziger
eiserner Nagel, kein rostiges Scharnier und kein Fetzchen Stoff,
das nicht hoffnungslos verkohlt gewesen wäre. Erst das regelmäßige Klatschen von Rudern machte ihn darauf aufmerksam,
dass die geschnitzten Drachenköpfe zweier Schiffe sich langsam
in den Wind drehten. Er ließ den verkohlten Balken fallen, den
er gerade von Abu Dun in Empfang genommen hatte (er war
gute vier Meter lang und maß zwei Handspannen im Quadrat,
und die Mühelosigkeit, mit der er damit jongliert hatte, brachte
ihm nicht nur einen staunenden Blick aus großen Kinderaugen
ein, sondern auch einen missbilligenden des Nubiers), trat
gebückt aus der verkohlten Ruine heraus. Im Heck des größeren
Schiffes erkannte er eine grauhaarige Gestalt mit einem gewaltigen Helm, der nur ein Horn hatte. »Osrik?«, rief er überrascht.
    »Er kommt wieder, nur keine Sorge«, sagte eine Stimme hinter
ihm.
Andrej fuhr überrascht herum.
»In längstens vier Tagen ist er wieder hier«, fuhr Urd fort.
»Zusammen mit all seinen Kriegern. Du hast ihn überzeugt, wie
es aussieht.«
»Urd?«, sagte Andrej ungläubig. »Aber was … ich meine, wie
kommt es …«, sein Blick irrte zur offen stehenden Tür, »… dass
du hier bist?«, führte er seinen begonnenen Satz zu Ende und
fühlte sich dumm dabei.
Urd musste es ganz ähnlich ergehen, denn sie schürzte die
Lippen, und in ihren Augen erschien schon wieder das gewohnte, belustigte Funkeln. »Diese lange Untätigkeit ist nichts für
mich. Ich glaube, ich habe genug für die nächsten zwei Jahre
geschlafen. Und außerdem hatte ich die verrückte Idee, dass du
dich vielleicht freust, mich zu sehen … aber ich kann gehen und
mir irgendwo eine nützliche Tätigkeit suchen, wenn du gerade
mit wichtigeren Dingen beschäftigt bist.«
Tatsächlich wollte sie sich auf der Stelle herumdrehen und
gehen, doch Andrej griff sie hastig an der Schulter, um sie
zurückzuhalten, ließ sie aber auch sofort wieder los, als er
spürte, wie sie unter seiner Berührung zusammenzuckte.
»Entschuldige«, sagte er unbeholfen und noch immer hoffnungslos verwirrt. »Ich war nur … überrascht, dich hier draußen
zu sehen.«
»Ich hoffe doch, angenehm«, sagte sie.
Urd sah noch nicht gesund aus. Ihr Gesicht hatte nicht mehr
Farbe als das einer Toten. Unter ihren Augen lagen dunkle
Ringe, und ihre Lippen waren spröde und gerissen. Andrej
schätzte, dass Sie zehn Pfund Gewicht verloren hatte, und

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