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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zu. Du hast mir etwas von
deinen Zauberkräften abgegeben, habe ich recht?«
Ich wollte, ich könnte es, dachte Andrej. Noch vor wenig mehr
als einem Tag hätte er ohne zu zögern sein Leben gegeben, um
das ihre zu retten. Aber bei ihren Worten meldete sich auch sein
schlechtes Gewissen. Er hatte keineswegs so viele Stunden an
Urds Krankenlager verbracht, wie Skuld behauptet hatte, aber er
tat nichts, um diese kleine Lüge richtigzustellen, sondern
bedankte sich in Gedanken bei Urds Mutter und nahm sich vor,
das bei nächster Gelegenheit auch laut zu tun … sobald Urd
nicht in Hörweite war.
Sie gingen zum Meer und den langen hölzernen Steg hinab, an
dem noch immer drei weitere Schiffe lagen; darunter auch das, das
um ein Haar zu ihrem und Andrejs Grab geworden wäre. Mehr als
ein Dutzend Männer waren emsig dabei, es zu beladen und abfahrbereit zu machen, und Andrej versuchte, seine Schritte unauffällig in
eine andere Richtung zu lenken. Er wollte nicht dorthin. Dieses Boot
barg zu viele unangenehme Erinnerungen, sowohl für Urd als auch
für ihn. Das Mädchen ignorierte ihn jedoch kurzerhand und steuerte
das Schiff so zielsicher an, dass Andrej schließlich mit einem
lautlosen Seufzer aufgab und ihr folgte. Aber er hatte seine Überraschung über ihre rasche Genesung inzwischen so weit überwunden,
dass er in Urd hineinlauschen konnte.
Wie er erwartet hatte, war sie nicht annähernd so stark, wie sie
sich gab. Er spürte deutlich, dass die wenigen Schritte ans Ufer
nahezu all ihre Kraft in Anspruch genommen hatten; vielleicht
sogar mehr, als sie hatte. Andrej hielt sich bereit, sie aufzufangen, sollten ihre Kräfte plötzlich versagen. Doch er sprach nicht
laut aus, was ihm auf der Zunge lag. Vielleicht hatte Urd ja
einen Grund, ihn hierher zu führen.
Wenn es ihn gab, dann teilte sie ihn ihm nicht mit. Sie blieb
eine ganze Zeit einfach stehen und sah der nicht abreißenden
Reihe von Männern zu, die Säcke und Fässer mit Proviant an
Bord trugen.
»Er hätte dich beinahe getötet«, sagte sie dann unvermittelt.
»Der Dauger?« Andrej zuckte gespielt gleichmütig mit den
Achseln. »Ich war keinen Moment in Gefahr«, erklärte er
großspurig.
Urd sah stirnrunzelnd zu ihm hoch, und er fügte hinzu:
»Schließlich warst du ja bei mir.«
»Das stimmt«, antwortete Urd, und das auf eine Art, dass er
sich fragte, ob diese Worte so scherzhaft gemeint waren, wie sie
sich anhörten. »Aber ich bin vielleicht nicht immer da, um auf
dich aufzupassen.«
Andrej lachte, aber ihre Worte hinterließen ein sonderbar
zwiespältiges Gefühl in ihm. Er fragte sich, warum sie ihn
hierher geführt hatte. Ganz bestimmt war es kein Zufall.
»Es tut mir leid um deinen Bruder«, sagte er unbeholfen. »Ich
wollte ihn nicht töten. Hätte ich gewusst, wer er war … Aber es
ging nicht anders.«
»Mein Bruder?« Urd sah ihn fragend an.
»Lasse.«
»Lasse?« Im ersten Moment schien sie mit diesem Namen
nichts anfangen zu können, aber dann schüttelte sie den Kopf.
»Oh, nein. Das war nicht mein Bruder.«
»Aber auch Thure hat gesagt –«
»Nicht mehr«, unterbrach sie ihn. »Er hat aufgehört, es zu
sein, als er das Blut des Nagelfahr getrunken hat.«
»Das klingt, als hätte er es freiwillig getan«, sagte Andrej.
»Wer will das wissen?«, erwiderte Urd. »Manche glauben, das
Nagelfahr nimmt nur die, die sich ihm freiwillig anbieten.«
»Und was glaubst du?«
Urd wich seinem Blick aus. »Wer will die Wahrheit kennen?«,
fragte sie scheinbar leichthin. »Keiner, der bisher einen Fuß auf
das Deck des Dämonenschiffes gesetzt hat, ist zurückgekehrt,
um davon zu berichten. Aber es heißt, es würde von den
schrecklichsten Dämonen Utgards gelenkt.«
»Und woher will man das wissen, wenn noch niemand von
dort zurückgekommen ist, um davon zu berichten?«, fragte
Andrej.
Urd dachte einen Moment ernsthaft über diese Frage nach, und
dann lachte sie. »Ja, eine wirklich gute Frage. Wenn mir eine
überzeugende Antwort darauf eingefallen ist, gebe ich dir ein
Zeichen, und du stellst sie mir noch einmal, einverstanden?«
Andrej lächelte zwar, aber ohne echtes Gefühl. »Was tun wir
hier, Urd?«
»Ich sehe den Schiffen zu, die nach Hause fahren, Andrej«,
antwortete sie. »Das habe ich immer schon getan, schon als
Kind. Kaum dass ich richtig laufen konnte, bin ich immer
hierher zum Meer gekommen, um den abfahrenden Schiffen
zuzuschauen. Ich habe mir immer vorzustellen versucht, wohin
sie fahren,

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