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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wo ich sie sehe …« Er hob die mächtigen Schultern.
»Ich war früher selbst Seefahrer …«
»Flusspirat.«
»… aber gegen eine Flotte dieser Schiffe anzutreten, hätte ich
mir zweimal überlegt. Kein Wunder, dass dieser angebliche Gott
sich so große Mühe gegeben hat, uns einzuschüchtern.«
»Wie meinst du das?«
»Wie ich das meine?« Abu Dun lachte. »Du glaubst doch nicht
ernsthaft, dass dieser Kerl uns am Leben gelassen hat, weil wir
ihm so sympathisch waren? Er hätte uns töten können, ganz
mühelos. Ich meine, wirklich töten. Aber er hat uns verschont
und uns nur angeraten, unserer Wege zu gehen und sich nicht in
seine Angelegenheiten zu mischen. Was denkst du wohl, warum
er das getan hat?«
»Keine Ahnung«, antwortete Andrej. »Aber du wirst es mir
ganz bestimmt gleich sagen.«
»Weil er Angst hatte!«
»Vor uns?«
»Vor dem hier!« Abu Dun machte eine ausholende Bewegung
zu den Schiffen hin. »Vor uns beiden brauchte er keine Angst zu
haben, aber vor dem hier schon. Er wollte um jeden Preis
verhindern, dass diese Flotte ausläuft – weil er wusste, dass
dieses Heer ihn besiegen wird.«
Die Frage war nur, um welchen Preis, dachte Andrej. Aber
wahrscheinlich hatte Abu Dun recht. Warum sonst hätte der
Unsterbliche sie verschonen sollen?
Statt zu antworten, sah er sich nach Urd um. Nach kurzem
Suchen entdeckte er sie im Bug des Schiffes und ging zu ihr.
Das Segel war inzwischen prall gebläht, und die Fenrir schoss
immer schneller dahin.
Die Art, mit der Urd dastand und die Hand auf den hochgezogenen Bugspriet gelegt hatte, gefiel ihm nicht. Zweifellos war es
eine bedeutungslose Geste, vielleicht um sich abzustützen und
um auf den schwankenden Planken das Gleichgewicht besser
halten zu können, aber ihn erinnerte der hochgereckte Drachenkopf mit dem weit aufgerissenen Maul mehr denn je an einen
Wolfsschädel, und Urd, so wie sie dastand, kam ihm vor wie
eine mythische Herrin der grauen Jäger, die die Hand auf den
Nacken des Leitwolfs legte.
Andrej verscheuchte diesen kindischen Gedanken und ging
schneller.
»Sind wir auf Kurs?«, fragte er, als er neben ihr stand.
»Noch nicht ganz«, antwortete Urd. »Aber bald. Wir müssen
einen Umweg machen. Es gibt Untiefen, denen wir besser
ausweichen sollten.« Plötzlich lachte sie, riss ihren Blick aber
keinen Moment von dem schwarz daliegenden Wasser. »Kannst
du es nicht erwarten, endlich in die Schlacht zu gehen?«
Andrej wollte antworten, doch in diesem Moment gewahrte er
etwas weit vor ihnen, aber genau auf dem Kurs der Fenrir und
damit der gesamte Flotte, das ihn überraschte und zugleich
besorgte.
»Was ist das?«
»Das Licht?«
Tatsächlich leuchtete vor ihnen ein blasses, grünliches Licht,
ein unwirklicher bleicher Schein, der in sanftem Rhythmus zu
pulsieren schien. Aber er erstrahlte nicht am Himmel oder direkt
über dem Meer, sondern darunter, als schwenke jemand unter
der Wasseroberfläche eine sanft brennende Laterne.
»Das ist völlig harmlos«, sagte Urd, nachdem sie sich eine
ganze Weile und ganz unverhohlen über seinen verblüfften
Gesichtsausdruck amüsiert hatte. »Meeresleuchten.«
»Und was … ist das?«, fragte Andrej zögernd.
»Das weiß niemand«, antwortete Urd. »Es kommt nur hier vor,
und auch nur sehr selten. Aber niemand hat jemals davon
berichtet, dass es gefährlich wäre.«
»Vielleicht ist keiner von denen zurückgekommen, denen es
gefährlich geworden ist.«
Urd maß ihn mit einem strafenden Blick. »Du bist ein Miesmacher, Andrej. Ich finde es schön.«
Und das war es auch, wie Andrej eingestehen musste. Je
länger er das unheimliche Phänomen ansah, desto schwerer fiel
es ihm, seinen Blick davon zu lösen. An diesem seltsamen
grünen Licht war etwas … Verlockendes, dem er sich mit jedem
Moment weniger entziehen konnte; wie leuchtender Sirenengesang. Vielleicht, dachte er, war an den Geschichten, die sich die
Seeleute seit so langer Zeit erzählten, ja doch etwas dran.
»Du hast recht«, sagte er. »Es ist schön.«
»Ich weiß«, antwortete Urd, riss ihren Blick mit sichtlicher
Mühe von dem grün leuchtenden Wasser vor dem Bug des
Schiffes los und sah ihn nachdenklich an. »Bist du sehr müde,
großer Krieger?«, fragte sie. »Oder soll ich dir etwas genauso
Schönes zeigen?«
Die ganze Nacht über und noch die Hälfte des nächsten Tages
fuhr die Flotte weiter in die Richtung, von der Urd unerschütterlich behauptete, sie wäre Norden. Für eine Weile war die Fahrt

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