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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gehorchten, mit
routinierten Bewegungen die Ruder einzogen und zu einem
Spalier beiderseits der Reling aufrichteten, löste sie eine Fackel
aus ihrer Halterung, ging ganz zum Heck und gab den hinter
ihnen fahrenden Schiffen ein Zeichen. Hinter ihnen in der
Schwärze wurde eine Flamme lautlos zur Antwort geschwenkt
und das Signal wiederholte sich mehr als zwei Dutzend Mal an
anderen Stellen. Die Schiffe, die ihnen in einem weit auseinandergezogenen Keil, dessen Spitze die Fenrir bildete, folgten,
waren den ganzen Tag über kaum mehr als Gespenster gewesen,
jetzt hatte die Nacht sie endgültig verschluckt. Nur eine Unzahl
winziger blinkender Lichter folgte ihnen mit geisterhafter
Lautlosigkeit.
Urd senkte die Fackel, betrachtete das Muster aus gelben und
roten Funken einen Moment lang kritisch und steckte sie dann in
ihre Halterung zurück, offensichtlich zufrieden mit dem, was sie
gesehen hatte.
»Wie lange werden wir unterwegs sein?«, fragte Andrej.
»Eineinhalb Tage, vielleicht zwei«, antwortete Urd.
»Wir reisten drei Tage«, erwiderte Andrej zweifelnd. »Und
Thure hat mit noch mehr gerechnet.«
»Es gibt eine starke Strömung. Ihr musstet gegen sie anrudern,
uns dagegen hilft sie. Außerdem werden wir fast die ganze Zeit
über günstigen Wind haben.«
Gut, Andrej sparte sich die Frage, woher sie das nun wieder
wissen wollte. Er glaubte ihr. Wortlos wartete er darauf, dass der
erste Teil ihrer Vorhersage eintraf und die Wolkendecke aufriss,
und er musste sich auch nicht lange gedulden. Schon nach
wenigen Augenblicken spürte er einen ersten, sachten Windhauch, der intensiv nach Salzwasser roch, aber auch ein wenig
faulig. Nicht sehr viel später erschien in der bisher geschlossenen Wolkendecke die erste Lücke, und Andrej atmete erleichtert
auf, als er zum ersten Mal seit vielen Tagen wieder das majestätische Funkeln der Sterne über sich sah. Das Segel, das bisher
schlaff von der Rahe gehangen hatte, begann sich knatternd zu
blähen, und das Schiff nahm wieder an Fahrt auf. Urd stand die
ganze Zeit reglos neben ihm und blickte aufmerksam in den
Himmel hinauf. Andrej tat dasselbe, aber ihm sagte der Anblick
nichts. Die Sterne droben waren ihm vollkommen fremd.
»Und?«, fragte er schließlich.
»Wir müssen schneller gewesen sein, als ich erwartet habe.«
Klang sie besorgt? Für eine ganze Weile setzte sie ihre stumme
Beobachtung fort, dann wandte sie sich mit einer knappen Geste
an den Mann am Ruder. Die Fenrir ächzte leise, als sie gehorsam ihren Kurs änderte, ein Laut, der in Andrejs Ohren zum
ärgerlichen Knurren eines erwachenden Wolfes wurde.
»Das müsste genügen«, sagte Urd. Ganz überzeugt klang sie
nicht. »Aber ich bleibe besser noch ein wenig hier und beobachte die Sterne.«
Wohin hätte sie denn auch gehen wollen?, dachte Andrej.
Aber das ironische Lächeln verschwand schnell wieder von
seinen Lippen, als er den besorgten Ausdruck in ihren Augen
gewahrte. Oder war es Angst? Vor ihnen lag mehr, als Urd ihm
bisher gesagt hatte. Aber er verbot sich jede Frage.
Stattdessen sah er noch einmal zu den anderen Schiffen zurück. Jetzt, wo sich die Wolkendecke mehr und mehr aufzulösen
begann, waren nicht nur die tanzenden Funken in der Dunkelheit
zu sehen, sondern auch die schwarzen Silhouetten der Schiffe,
mindestens die ersten sechs oder vielleicht auch acht. Alles was
dahinter war, blieb weiter in der Nacht verborgen, die plötzlich
die Beschaffenheit von Nebel zu haben schien. Die Formation
war ein wenig durcheinandergeraten – wahrscheinlich hatten
nicht alle Kapitäne sofort dem plötzlichen Kurswechsel folgen
können –, schien im Großen und Ganzen aber erhalten geblieben
zu sein, und die Schiffe begannen ihre ursprünglichen Positionen auch schon wieder einzunehmen.
»Beeindruckend, nicht wahr?«
Andrej registrierte ein wenig überrascht, dass Abu Dun seinen
Platz mit Urd getauscht hatte. Er hatte es nicht einmal gemerkt.
»Was?«
»Diese Schiffe.« Abu Dun trat vollends neben ihn. »Die
Männer, die sie fahren. Die Schiffe sehen primitiv und grobschlächtig aus, aber diese Männer verstehen ihr Handwerk.
Wusstest du, dass sie in früheren Zeiten bis vor unsere Küsten
gekommen sind?«
Andrej sah ihn überrascht an, aber auch ein wenig zweifelnd,
und der Nubier fuhr mit einem bekräftigenden Nicken fort: »Es
heißt, die Seevölker hätten schon den Pharaonen zu schaffen
gemacht. Bisher habe ich das nur für alte Geschichten gehalten,
aber jetzt,

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