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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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geradezu gespenstisch gewesen. Trotz ihrer eindeutigen Worte
hatte sich Urd nicht von der Stelle gerührt, sondern war im Bug
des Schiffes stehen geblieben, und kurz darauf hatte sich auch
Abu Dun zu ihnen gesellt, um das unheimliche Glühen im
Wasser zu beobachten. Das Schiff – und mit ihm die gesamte
Flotte – hatte direkt auf das leuchtende Meer zugehalten und es
schließlich durchquert; gespenstische Augenblicke, in denen sie
von einem verwirrend schönen Irrlicht eingehüllt gewesen
waren. Keiner der Männer an Bord hatte in dieser Zeit auch nur
ein einziges Wort von sich gegeben. Irgendwann aber war das
seltsame Leuchten ebenso lautlos, wie es aufgetaucht war,
wieder hinter ihnen zurückgefallen und schließlich ganz
erloschen, und Urd hatte nur noch einmal den Kurs des Schiffes
bestimmt und sich dann in ihr Zelt zurückgezogen.
Jetzt war die gesamte Flotte zum Stillstand gekommen. Die Fenrir schaukelte nahezu reglos auf den Wellen, nur ganz sacht
vorwärts gezogen von der Strömung, von der Urd gestern erzählt
hatte, und Andrej stand hinter der Schildreling und sah dem viel
größeren Schiff König Osriks zu, das gerade zum zweiten Mal
versuchte, sich neben sie zu schieben, ohne die weitaus kleinere Fenrir dabei zu zermalmen. Andrej hoffte, dass die Männer an
Bord des anderen Schiffes tatsächlich so gute Seeleute waren, wie
Abu Dun gestern Abend gemutmaßt hatte, denn es war die größte Drakkar, die er jemals gesehen hatte, ein Koloss von mehr als
vierzig Metern Länge, mit drei Dutzend Rudern auf jeder Seite
und einer Besatzung von mindestens einhundert Mann; ein Wal,
der sich neben einen schlanken Hai schob.
Andrej unterdrückte ein Lächeln, als ihm klar wurde, dass
dieser Vergleich auch in anderer Hinsicht gelten mochte, straffte
aber die Schultern, als das Schiff mit einem leichten Ruck neben
der Fenrir anlegte und der grauhaarige König mit dem einhornigen Helm unverzüglich an Bord kletterte, selbstverständlich
gefolgt von fünf seiner Leibwächter, von denen der kleinste
zwei Fingerbreit größer war als er. Nahezu gleichzeitig erschütterte ein zweiter, heftigerer Stoß das Schiff, als auch Thures
Drachenboot auf der anderen Seite anlegte. Das Schiff lief schon
seit einer geraumen Weile neben der Fenrir her, aber er hatte
wohl ganz bewusst abgewartet, bis Osrik als Erster an Bord
gekommen war. Mochte Odin wissen, warum …
Andrej straffte die Schultern noch ein bisschen mehr und trat
Osrik entgegen. Der alte König begrüßte ihn mit einem stummen
Kopfnicken, aber einem durchaus freundlichen Lächeln, ging
jedoch trotzdem wortlos an ihm vorbei, um zuerst Thure die Hand
zu reichen. Abu Dun verdrehte die Augen, aber er schien Andrejs
Gedanken zu lesen und verkniff sich jeden Kommentar.
Osrik und Thure tauschten ein paar Belanglosigkeiten und
sahen dann auffordernd zu Abu Dun und ihm, und Abu Dun zog
abermals eine Grimasse, die weder Osrik noch Thure entgehen
konnte. »Na, das nenne ich doch mal ausgesuchte Höflichkeit«,
maulte er.
»Tu mir einen Gefallen und sag einfach gar nichts«, sagte
Andrej leise, während er auf Thure und den grauhaarigen König
zuzugehen begann.
»Keine Sorge«, antwortete Abu Dun. »Ich werde schweigen
wie ein Grab.«
»Gut«, sagte Andrej.
»Kein Wort kommt über meine Lippen«, versicherte Abu Dun.
Andrej sah ihn böse an.
»Du wirst nicht den geringsten Laut von mir hören.«
Andrej schwieg und begrüßte auch Thure mit einem stummen
Kopfnicken.
»Keinen Ton«, sagte Abu Dun.
» Abu Dun! «
»Ist ja schon gut. Ich bin jetzt ganz ruhig.« Er wandte sich
Thure und dem grauhaarigen König zu und verbeugte sich so
tief, dass sich das Ende seines schwarzen Turbans löste und mit
einem klatschenden, nassen Geräusch auf das Deck fiel. Osrik
hatte sichtliche Mühe, ein Lachen zu unterdrücken, als der
Nubier sich wieder aufrichtete und mit schon fast tollpatschigen
Bewegungen seinen Turban wieder zurechtzurücken versuchte.
Aber vermutlich ahnte er auch, dass Abu Dun nur den Narren
spielte, um die Spannung zu lösen.
»Andrej, Abu Dun«, sagte Thure. »Hattet ihr eine angenehme
Nacht?«
Andrej entschied, nicht darüber nachzudenken, ob sich in
diesen Worten eine Anzüglichkeit verbarg, und beließ es bei
einem kühlen Nicken, und Abu Dun grunzte: »Kalt.«
»Und es wird noch viel kälter werden, fürchte ich«, sagte
Thure. »Bald erreichen wir die verbotene Insel … aber ihr wisst
ja, wie es dort ist.«
»Doch zuerst müssen wir

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