Das Daemonenschiff
beschäftigt, seine Männer herumzukommandieren, dass
Andrej sich mehrfach laut räuspern musste, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Die wenigen Männer, die seiner Befehlsflut bisher
entgangen waren, nutzten die günstige Gelegenheit, sich unauffällig
aus dem Staub zu machen, und Thures ohnehin griesgrämige Miene
verfinsterte sich noch weiter. »Ja?«, bellte er.
»Was willst du jetzt tun?«, fragte Andrej »Nichts anderes, als
wir ohnehin vorhatten«, antwortete er ungeduldig, als ginge
Andrej das nichts an. »Wir marschieren los. Mit ein bisschen
Glück erreichen wir heute Abend die Berge. Dahinter liegt die
Festung des falschen Gottes.«
Andrej blinzelte überrascht zu den eisglitzernden Giganten am
Horizont hin. Heute Abend? Hätte er eine Schätzung abgeben
müssen, hätte er auf eine Woche getippt, wenn nicht mehr.
»Nicht diese Berge«, sagte Thure, der seinen zweifelnden
Blick bemerkt hatte. »Dahinter ist nichts mehr. Nur noch das
Ende der Welt. Ich meine diese Berge.«
Er deutete zu seiner Linken, und Andrej sah ungläubig in
dieselbe Richtung. »Da sind keine Berge.«
»Sie werden da sein«, beharrte Thure. »Wie ich schon gesagt
habe: Dieses Land täuscht unsere Sinne. Wenn wir schnell
genug marschieren, erreichen wir sie noch bevor es dunkel
wird.«
»Mit den Piraten hinter uns?«
Thure schnaubte. »Du sagst es. Piraten. Auf dem Meer oder
wenn sie mit großer Übermacht angreifen können, sind sie vielleicht gefährlich. An Land sind sie nicht mehr als eine Bande
dahergelaufener Strauchdiebe. Sie wagen es nie, uns offen
anzugreifen! Wir sind mehr als doppelt so viele wie sie.«
Andrej gefiel der Gedanke trotzdem nicht, eine so mächtige
Streitmacht im Rücken zu haben. »Wenn ihr diese Männer
kennt, können wir vielleicht mit ihnen reden.«
»Reden?« Thure ließ die Hand auf den Schwertgriff klatschen.
»Das ist die einzige Sprache, die sie verstehen, glaube mir. Wir
haben es oft genug versucht.«
»Deinem Vater scheint es ja immerhin gelungen zu sein«,
sagte Andrej, doch Thure schüttelte nur noch grimmiger den
Kopf. »Mein Vater hat sich den Frieden erkauft –«
»Was manchmal nicht der schlechteste Weg ist.«
»– und der Preis dafür war viel zu hoch«, fuhr Thure unbeirrt
fort. »Unsere Kinder haben im Winter gehungert, und zu viele
von ihnen sind ver hungert, weil wir diesen verdammten Tribut
zahlen mussten. Sie sind die nächsten auf meiner Liste!«
Andrej sah verstört zu ihm hoch. »Wie?«
»Hast du gedacht, ich –« Thure unterbrach sich, zwang sich
mit einer sichtbaren Anstrengung zur Ruhe und versuchte sogar
zu lächeln. »Das ist natürlich die Entscheidung meines Bruders.
Entschuldige. Ich habe mich hinreißen lassen.«
»Warum so lange warten?«, fragte Abu Dun, der mit ausgreifenden Schritten näher kam. Die Spitze des gewaltigen Schwertes, das
er unter dem Mantel trug, schrammte hinter ihm her und hinterließ
einen schimmernden Kratzer im Eis. »Lass uns sie angreifen,
solange wir im Vorteil sind.«
»Was für ein Vorteil sollte das sein?«, fragte Andrej. War der
Nubier verrückt geworden?
Abu Dun hatte offenbar beschlossen, ihn nicht zu beachten, denn
er sprach, an Thure gewandt, weiter: »Wie gut kennt ihr diese
Swörbröder?«
»Gut genug, um zu wissen, dass sie uns im Moment mit Sicherheit beobachten«, antwortete Thure. »Ich an ihrer Stelle
würde das jedenfalls tun. Und gut genug, um zu wissen, dass ein
Angriff auf sie Selbstmord wäre. Ich kenne den Fjord, in dem
sie sich versteckt haben. Ein einziges Schiff kann dort eine
ganze Flotte aufhalten, wenn es sein muss.«
»Dann ist der Fjord zugleich auch eine Falle, aus der sie nicht
entkommen können«, sagte Abu Dun. »Wenn es uns gelingt, sie
dort festzuhalten, stellen sie keine Gefahr mehr dar.«
»Thure hat recht«, sagte Andrej. »Sie wären dumm, uns nicht
zu beobachten. Wir würden in dieselbe Falle laufen wie die
beiden Schiffe heute Nacht.«
»Ja, womöglich«, sagte Abu Dun. »Aber warum lassen wir sie
dann nicht zu uns kommen?«
Andrej sah ihn ebenso überrascht an wie Thure. »Wie meinst
du das?«, fragte der Nordmann.
»Du rechnest damit, dass sie uns beobachten«, sagte Abu Dun.
»Ich hoffe sogar darauf, dass sie das tun. Wir könnten abmarschieren und nach Einbruch der Dunkelheit zurückkommen.« Er
deutete mit einem Nicken auf die lange Reihe von Schiffen, die
schräg auf dem Strand lagen. »Wenn ich Pirat wäre, dann würde
ich mir eine so fette Beute nicht
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