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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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haben, denn es verging nur eine kurze Zeit, bis ein winziger
Punkt über dem Horizont erschien, der rasch zu dem typischen
rot-weiß gestreiften Segel eines Wikingerschiffes wurde, das
stolz über einem Drachenkopf emporragte. Das Boot kam
schnell näher, verlor aber plötzlich an Schwung und kam mehr
als hundert Schritte vor der Küste ganz zum Liegen. Andrej riss
ungläubig die Augen auf, als die Männer ohne das mindeste
Zögern in das eisige Wasser hineinzuwaten begannen.
»Das Wasser ist zu flach, um näher ans Ufer heranzufahren«,
erklärte Thure, als er den entsetzten Ausdruck auf seinem
Gesicht gewahrte.
»Und ihr habt keine Boote?«, ächzte Andrej.
»Doch.« Thure deutete todernst auf das Drachenschiff. Es war
ein gutes Stück größer als die Fenrir, wirkte aber auch plumper
und trotz seiner großen Masse nicht annähernd so gefährlich.
»Das da.«
Der Nordmann versuchte nicht, seine Schadenfreude zu verbergen, als er den Ausdruck blanken Entsetzens sah, der sich bei
dem Gedanken, einen Fuß in das eisige Wasser setzen zu müssen, auf Andrejs und Abu Duns Gesichtern zeichnete. Aber Andrej sah auch, dass sich hinter dem Grinsen Unsicherheit verbarg. Oder war es Furcht? Andrej widerstand der Versuchung,
Thures Blick zu folgen. Erst als dieser ins Wasser watete, riskierte er einen Blick.
Er sah seinen Verdacht bestätigt. Thure hatte nicht den Hang
und die dahinterliegende Felswand und die Klamm angesehen,
sondern das Feuer, das Abu Dun und er entfacht hatten –
genauer gesagt, den immer dichter werdenden Qualm, der aus
der Entfernung betrachtet ein viel deutlicheres Signal war, als es
von Nahem den Anschein gehabt hatte. Vielleicht, dachte er,
fürchtete Thure ja, das Feuer könne noch etwas anderes anlocken als dieses Schiff …
Andrej seufzte tief, ergab sich in sein Schicksal und stapfte mit
zusammengebissenen Zähnen in das eisige Salzwasser hinaus.
Hatte er bisher gedacht, nicht kläglicher frieren zu können, als er
es sowieso schon tat, so wurde er jetzt eines anderen belehrt. Die
wenigen kostbaren Augenblicke, die sie das Feuer geschürt und
zum ersten Mal seit Monaten Hitze gespürt hatten, verlangten
nun ihren Tribut. Nun spürte er die Kälte doppelt grausam.
Bevor er die Hälfte der Strecke zurücklegen konnte, war
jegliches Gefühl aus seinen Beinen gewichen, und Taubheit und
Lähmung krochen unbarmherzig weiter nach oben, hatten schon
beinahe seine Brust erreicht, als sie endlich bei dem Drachenboot ankamen. Obwohl Abu Dun und er sich beeilt hatten,
waren sie die letzten, die an Bord gingen. Die Männer hatten vor
Kälte erstarrte Gesichter und weiß gefrorene Bärte und blaue
Lippen, gaben aber kein Wort der Klage von sich, sondern
kletterten mit einer Behändigkeit und Eile an Bord, die Andrej
mit Neid erfüllte. Dieses raue und harte Land brachte offensichtlich ebenso raue und harte Menschen hervor.
Abgesehen von seiner Größe ähnelte das Schiff dem, mit dem
sie hergekommen waren: ein einfacher, lang gestreckter Rumpf
mit hölzernen Sitzbänken, hinter denen jeweils zwei Männer
Platz nehmen und eines der großen Ruder bedienen konnten.
Was auf einem Schiff seiner oder auch Abu Duns Heimat die
Kapitänskajüte gewesen wäre, das war hier ein einfaches Zelt
aus dem gleichen, rot-weiß gestreiften Segeltuch, das über ihren
Köpfen im Wind flatterte und die straff gespannten Taue summen ließ. Luxus wie eine Reling schien es nicht zu geben, doch
bevor die Männer Platz nahmen, stellten sie ihre großen Rundschilde längs der Bordwand auf, sodass sie einen improvisierten,
aber zuverlässigen Schutz vor dem eisigen Sprühnebel boten,
den der Wind ununterbrochen von der Meeresoberfläche heraufpeitschte.
Gut die Hälfte der einfachen Ruderbänke blieb leer, nachdem
die Männer ihr Gepäck verstaut und Platz genommen hatten.
Thure, der als erster an Bord gegangen war und sich bisher um
seinen sterbenden Bruder gekümmert hatte, den die Männer in
das kleine Zelt gelegt hatten, machte eine einladende Geste in
Richtung einer verlassenen Ruderbank ganz hinten, und somit
nahe bei seinem Zelt; vermutlich, um Abu Dun und ihn auf diese Weise immer im Auge behalten zu können. Abu Dun folgte
der Einladung stumm, doch Andrej nahm nicht neben ihm Platz,
sondern ließ sich auf eine ebenfalls verwaiste Bank auf der
anderen Seite des Schiffes sinken. Er war so wenig versessen
darauf wie Abu Dun, schon wieder endlose Stunden, wenn nicht
Tage

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