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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mit einer stumpfsinnigen und anstrengenden Arbeit wie
Rudern zu verbringen, doch jeder Ruderschlag, den sie zusätzlich taten, würde sie ihrem Ziel schneller näher bringen. Thure
nahm seine Entscheidung stirnrunzelnd, aber schweigend zur
Kenntnis.
Dennoch verzog er verächtlich die Lippen, als er sich umwandte und in sein Zelt zurückging.
»Wahrscheinlich hält er uns jetzt für schreckliche Angeber«,
vermutete Abu Dun.
»Sind wir das denn nicht?«, fragte Andrej.
»Nur einer von uns«, erwiderte der Nubier. »Ein Angeber ist
einer, der etwas zu können vorgibt, was er gar nicht kann.« Er
legte seine riesigen Pranken um das Ruder und sah dann verwirrt um sich, als ihm auffiel, dass er der einzige war. Alle anderen Männer hatten zwar ebenfalls auf den Ruderbänken Platz
genommen, die Riemen selbst aber nur berührt, um sich daran
festzuklammern oder erschöpft darüber zusammenzusinken. Die
meisten hatten ihre nassen Mäntel, Hosen und Stiefel ausgezogen und wickelten sich jetzt in Felle oder trockene Kleider,
sofern sie solche in ihrem Gepäck fanden. Andrej und Abu Dun
konnten nicht über einen solchen Luxus verfügen. Alles, was sie
besaßen, waren ihre Waffen und das, was sie am Leib trugen …
beziehungsweise was daran klebte. In Kürze, dachte Andrej
finster, würden ihre Kleider buchstäblich auf ihrer Haut festgefroren sein. Und niemand rührte auch nur einen Finger, um ihnen trockene Kleider oder eine Decke oder ein Fell zu bringen.
Ob Thure wusste, dass man einen Mann auf diese Weise umbringen konnte?
Aber vielleicht war das ja seine Absicht …
Das Schiff setzte sich schwerfällig in Bewegung, obwohl nicht
ein einziger Ruderschlag erfolgt war. Der Bug mit dem plump
geschnitzten Drachenkopf drehte sich langsam dem offenen
Meer zu, und die Taue summten stärker, als sich das Segel blähte und das Drachenboot allmählich Fahrt aufzunehmen begann.
Thure trat zurück auf Deck, sprach kurz mit einigen seiner
Männer und deutete dabei ungeniert auf Abu Dun und Andrej,
lachte auch einige Male auf eine Art, die Andrej nicht gefiel.
Schließlich kam er zurück und schüttelte demonstrativ den
Kopf, als er sah, dass Abu Duns Hände immer noch auf dem
Ruder ruhten. »Schone deine Kräfte lieber, mein Freund. Glaub
mir, du wirst sie später noch dringend brauchen. Im Moment
steht der Wind günstig, und wir machen gute Fahrt.«
Andrej sah zweifelnd zu dem einzelnen Segel empor. Es war
gebläht und zerrte so an seinen Tauen, dass sie mittlerweile ein
stetes, dunkles Singen hören ließen, aber verglichen mit der Fenrir, die manchmal pfeilschnell durch das Wasser geschossen
war, schien sich das Schiff kaum von der Stelle zu bewegen.
»Keine Sorge, wir werden gleich mehr Fahrt aufnehmen.«
Thure hatte seinen Blick richtig gedeutet. »Sobald wir ein Stück
von der Insel weg sind und in die Strömung geraten.«
»Welche Strömung?«, fragte Abu Dun. Er klang beunruhigt.
»Dieselbe, die euch auf den Strand geworfen hat, nehme ich
an«, erwiderte Thure fröhlich. »Aber habt keine Angst. Das hier
ist ein gutes Schiff, und meine Männer verstehen ihr Handwerk.«
Andrej fiel auf, dass sein Blick immer wieder unstet über das
Heck des Schiffes zurück zur Insel irrte. Um zu zeigen, dass er
sich nicht täuschen ließ, drehte er sich langsam auf der schmalen
Bank herum und sah offen in dieselbe Richtung. Der Strand lag
schon ein gutes Stück hinter ihnen, deutlich weiter, als er erwartet hatte angesichts der geringen Fahrt, die das Schiff machte.
Ein leichter Dunst lag über dem vereisten Strand, noch nicht
ganz Nebel, aber doch ein dichter Schleier, als versuche das verlassene Eiland, sein Antlitz vor ihnen zu verhüllen. Das Signalfeuer brannte noch immer mit schwarzem, weithin sichtbarem
Rauch. Niemals hatte Andrej einen so öden Flecken Erde gesehen. Er verstand immer weniger, wie Menschen auf den Gedanken kommen konnten, an einem solch unwirtlichen Ort zu
siedeln. Und er stellte diese Frage auch laut.
»Das kommt immer darauf an, welche Ansprüche du an dein
Zuhause stellst«, antwortete Thure. »Dir und mir mögen diese
kargen Felsen abweisend und feindselig vorkommen, aber für
manche ist es genau das, was sie von einem sicheren Hafen
erwarten.«
Andrej verstand nicht sofort, was der Nordmann ihm damit
sagen wollte, Abu Dun aber anscheinend schon. »Sie waren
Piraten«, vermutete er.
»Sagen wir, es ist nicht die Art meines Volkes, ihre Nachbarn
zu überfallen und ihre Dörfer

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